Titelbild: Halank /Merz
Heute erlebte die deutsche Politik ein historisches Ereignis. Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, scheiterte im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl im Bundestag. Dies war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass ein designierter Kanzler nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen im ersten Wahlgang keine Mehrheit erhielt. Im Folgenden wird der Vorfall ausführlich beleuchtet, einschließlich der Hintergründe, Reaktionen, möglichen Ursachen und der weiteren Verfahrensweise gemäß Grundgesetz
Friedrich Merz erhielt in der geheimen Abstimmung im Bundestag 310 Ja-Stimmen, verfehlte jedoch die erforderliche absolute Mehrheit von 316 Stimmen um sechs Stimmen. Die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD verfügen zusammen über 328 Sitze im Bundestag, weshalb die Mehrheit für Merz als sicher galt. Von den 630 Abgeordneten nahmen 621 an der Wahl teil.
310 Ja-Stimmen für Merz
307 Nein-Stimmen
3 Enthaltungen
1 ungültige Stimme
Nach Bekanntgabe des Ergebnisses durch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner wurde die Sitzung unterbrochen, um den Fraktionen Zeit für Beratungen zu geben. Es wurde entschieden, am selben Tag keinen zweiten Wahlgang durchzuführen. Stattdessen wird ein zweiter Wahlgang voraussichtlich am Mittwoch, den 7. Mai 2025, stattfinden, wobei die Fraktionschefs über eine Fristverkürzung verhandeln, um diesen Termin zu ermöglichen.
Dieser Vorfall ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Noch nie zuvor ist ein Kanzlerkandidat nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen im ersten Wahlgang gescheitert. Alle bisherigen neun Bundeskanzler und die Bundeskanzlerin wurden stets im ersten Wahlgang gewählt. Das Scheitern von Merz wird als „Paukenschlag“ und „politisches Erdbeben“ beschrieben, da es die Erwartungen sowohl der Koalitionsparteien als auch der Öffentlichkeit erschütterte .
Die Gründe für Merz’ Scheitern sind vielschichtig und werden intensiv diskutiert. Obwohl die Koalition aus CDU/CSU und SPD über eine komfortable Mehrheit von 328 Sitzen verfügt, scheint es Abweichler in den eigenen Reihen gegeben zu haben. Da die Abstimmung geheim war, lässt sich nicht eindeutig feststellen, wer gegen Merz gestimmt hat. Dennoch gibt es mehrere mögliche Erklärungsansätze.
In der SPD gab es Vorbehalte gegen Merz, insbesondere aufgrund seiner früheren Äußerungen und seines konservativen Profils. Einige SPD-Abgeordnete könnten aus ideologischen Gründen oder aufgrund von Unzufriedenheit mit der Machtverteilung in der Koalition (z. B. der starken Position von SPD-Co-Vorsitzendem Lars Klingbeil) gegen Merz gestimmt haben.
In der Union sorgte die nach der Wahl angepasste Finanzpolitik, insbesondere die Aufweichung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und ein milliardenschweres Sondervermögen für Infrastruktur, für Kritik. Dies könnte konservative Abgeordnete dazu veranlasst haben, Merz die Unterstützung zu verweigern.
Merz hat innerhalb der Union und SPD Gegner, die ihm die Kanzlerschaft nicht zutrauen oder seine politischen Positionen ablehnen. Grünen-Politiker Anton Hofreiter wies darauf hin, dass Merz’ umstrittene Äußerungen zur AfD („AfD-Aktion“) in beiden Fraktionen für Verstimmung gesorgt haben könnten.
Posts auf Facebook deuten ebenfalls auf mangelndes Vertrauen in Merz’ Führungsstärke hin, insbesondere nach einem als chaotisch wahrgenommenen Wahlkampf und schnellen Rückziehern bei versprochenen Reformen.
Trotz Sonderfraktionssitzungen am Morgen des Wahltags, bei denen beide Fraktionen die Anwesenheit aller Abgeordneten bestätigten, scheint die Fraktionsdisziplin nicht durchgehend gewährleistet gewesen zu sein. Die SPD betonte, es habe keine Abweichler in ihren Reihen gegeben, was die Verantwortung auf die Union lenkt. Dennoch bleibt unklar, ob dies zutrifft.
Einige Beobachter vermuten, dass Abgeordnete Merz einen „Denkzettel“ verpassen wollten, ohne die Koalition grundsätzlich zu gefährden. Grünen-Politikerin Renate Künast sprach von „verärgerten“ Abgeordneten, die die Regierungsbildung bewusst erschwert hätten.
Die Reaktionen auf Merz’ Scheitern reichen von Schock und Kritik bis hin zu Häme und Forderungen nach Neuwahlen.
In der Unionsfraktion herrschte Entsetzen, aber auch Rückhalt für Merz. Abgeordnete applaudierten ihm stehend, was als Zeichen der Loyalität gewertet wurde. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte einen schnellen zweiten Wahlgang, und Merz selbst zeigte sich entschlossen, erneut anzutreten.
SPD-Chef Lars Klingbeil betonte, es gebe keine Abweichler in der SPD-Fraktion, und kündigte Gespräche mit anderen demokratischen Fraktionen an, um den Prozess zu klären.
Die AfD reagierte hämisch und wertete das Ergebnis als Beweis für die Schwäche der Koalition. Parteichefin Alice Weidel sprach von einem „Wahlbetrüger und Lügner“ Merz und forderte Neuwahlen. Die AfD signalisierte Bereitschaft für einen zweiten Wahlgang am Mittwoch.
Katrin Göring-Eckardt warnte vor Chaos und betonte, Deutschland brauche Stabilität. Renate Künast nannte Merz „massiv geschwächt“, während Omid Nouripour die Verantwortung bei Union und SPD sah, die Mehrheit zu sichern.
Linke: Dietmar Bartsch nannte das Ergebnis „peinlich“, und Bodo Ramelow forderte eine zügige Kanzlerwahl, da Merz und Klingbeil für das „Chaos“ verantwortlich seien. Wolfgang Kubicki sprach von einem „herben Schlag“ für Merz und warnte vor einer rot-grünen Minderheitsregierung als schlechtester Option.
Der DAX fiel nach dem Ergebnis um über 400 Punkte, was als Reaktion auf die politische Unsicherheit gewertet wurde. Ökonomen wie Jens Südekum und Marcel Fratzscher sahen in Merz’ Scheitern ein schlechtes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Das Grundgesetz (Artikel 63) regelt das weitere Vorgehen klar. Innerhalb von 14 Tagen kann der Bundestag erneut einen Kanzler wählen. Dafür ist weiterhin eine absolute Mehrheit von 316 Stimmen erforderlich. Merz kann erneut antreten, ebenso könnten andere Kandidaten nominiert werden. Verhandlungen über eine Fristverkürzung zielen darauf ab, den zweiten Wahlgang bereits am Mittwoch abzuhalten.
Sollte innerhalb der 14 Tage keine absolute Mehrheit erreicht werden, findet ein weiterer Wahlgang statt, in dem eine einfache Mehrheit ausreicht. Der Bundespräsident muss den Gewählten ernennen, kann bei einer einfachen Mehrheit aber auch den Bundestag auflösen und Neuwahlen ansetzen.
Bis ein neuer Kanzler gewählt ist, bleibt Olaf Scholz gemäß Artikel 69 Grundgesetz geschäftsführend im Amt, ebenso wie die Minister seines Kabinetts.
Merz’ Scheitern wird als schwere Hypothek für seine potenzielle Kanzlerschaft gewertet. Es unterstreicht die Spannungen innerhalb der Koalition und wirft Fragen zur Stabilität der Regierung auf. Die AfD und Teile der Opposition nutzen das Ergebnis, um Neuwahlen zu fordern, während andere Fraktionen eine schnelle Lösung anmahnen, um Deutschland in einer Zeit internationaler Unsicherheiten handlungsfähig zu halten.
Das Scheitern von Friedrich Merz im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl am 6. Mai 2025 markiert einen historischen Tiefpunkt in der deutschen Politik. Es offenbart Risse in der schwarz-roten Koalition und stellt Merz’ Führungsstärke infrage. Die kommenden Tage werden zeigen, ob Merz im zweiten Wahlgang die nötige Mehrheit mobilisieren kann oder ob die Koalition vor noch größeren Herausforderungen steht. Die Verhandlungen über den nächsten Wahlgang und die Reaktionen der Fraktionen bleiben entscheidend für die politische Stabilität Deutschlands.