Titelbild Beispielbild München, Strauß , kasaan media, 1990
Der Anschlag auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 stellt bis heute den schwersten terroristischen Akt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dar und wirft lange Schatten auf die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Verfassungsschutz und politischer Verdrängung in der Nachkriegszeit. Es ist ein roter Faden der Verarbeitung des Rechtsterrorismus in der damals noch jungen Bundesrepublik. Gebannt wie eine Blutspur auf Schwarz-Weiß Fotos der damaligen Agenturen. An jenem Freitagabend, dem zweiten Tag des 146. Oktoberfests auf der Theresienwiese, herrschte wie immer ausgelassene Stimmung. Tausende von Menschen strömten durch den Haupteingang an der Nordseite der Wiese, lachten, prosteten sich zu und ahnten nicht, dass eine selbstgebaute Bombe in einem unscheinbaren Abfallkorb gleich neben dem Bierreiter-Fresko ihre unbeschwerte Nacht in eine Tragödie verwandeln würde. Um 22 Uhr 19 Minuten detonierte der Sprengsatz aus etwa 1,5 Kilogramm Sprengstoff – eine Mischung aus Schwarzpulver und Pyrotechnikmaterialien –, die eine Druckwelle erzeugte, die Glasscherben, Metallteile und Trümmer wie tödliche Geschosse durch die Luft wirbelte. Zwölf Besucherinnen und Besucher starben sofort oder kurz darauf an ihren schweren Verletzungen, darunter die 17-jährige Schülerin Gabriele Deutsch, der 21-jährige Student Robert Gmeinwieser, der britische Tourist Errol Vere-Hodge und viele andere, deren Leben in einem Moment ausgelöscht wurde, während sie einfach nur feiern wollten. Über 221 Menschen erlitten Verletzungen, 68 davon lebensbedrohlich – zerfetzte Gliedmaßen, Verbrennungen, innere Blutungen und bleibende Behinderungen prägten das Schicksal der Überlebenden, die jahrelang mit Traumata, Schmerzen und bürokratischen Hürden zu kämpfen hatten. Der Freistaat Bayern machte einen Hürdenlauf aus dem Leid. Man wollte Ruhe. Geschäftigkeit und Empörung wurden gespielt. Der Attentäter selbst, der 23-jährige Gundolf Köhler aus Donaustadt bei Nürnberg, kam ebenfalls ums Leben; seine Leiche wurde nur Zentimeter vom Explosionsherd entfernt gefunden, eine abgerissene Hand in seiner Nähe, die später fälschlicherweise als Beweis für seine Alleintäterschaft diente.
Gundolf Köhler war kein isoliertes Monster, sondern tief verwurzelt in der rechtsextremen Szene der späten 1970er Jahre, einer Zeit, in der Neonazis und Wehrsportgruppen wie Pilze aus dem Boden schossen und unter dem Deckmantel paramilitärischer „Kameradschaften“ Hass schürten. Darunter auch die NUEB in Uelzen, Niedersachsen. Verbindungen zu dem niedersächsischen Waffen-Bunker des Försters Lembke wurden vertuscht. Lembke erhängte sich ein Jahr später in Lüneburger U-Haft. Sicher nicht, weil der glühende Nazi plötzlich depressiv geworden war, er hätte eine Privatarmee ausrüsten können. Alle Spuren führten nach Niedersachsen. Köhlers Mittätern wurde von den paramilitärischen Einheiten der Nazis mutmaßlich der Hof gemacht. Die kümmerten sich um den Rest, Papiere und Ausschleusungen,etc.. Darauf weisen die Verbindungen eines Rechtsradikalen hin, der zusammen mit einem Nazi in Bremen den Faksimile Verlag unterhielt. Dort fanden sich Unterlagen,die auf eine gezielte paramilitärische Aktion hinwiesen. Das sicher nicht durch Gundolf Köhler, sondern durch gut geschultes rechtes Terrorpersonal. Es ging um den Mythos Werwolf. Das Desinteresse der Behörden war 2011 ungebrochen, trotz gerade entdecktem NSU-Terrors. Als gelernter Maurer und Maschinenbediener hatte Köhler eine scheinbar unauffällige Fassade. Er studierte Bauwesen an der Fachhochschule in Nürnberg, war in der Studentenschaft aktiv und pflegte sogar soziale Kontakte, die sein späteres Bild als „frustrierter Einsiedler“ Lügen straften. Doch darunter brodelte ein radikaler Antisemitismus und eine tiefe Verachtung für die demokratische Ordnung. Bereits als Jugendlicher hatte er sich der NPD angenähert, später der Jungen Europäischen Legion und schließlich der berüchtigten Wehrsportgruppe Hoffmann um Karl-Heinz Hoffmann, einer paramilitärischen Splittergruppe, die mit Waffentraining, Hasspredigten gegen „Juden, Linke und Ausländer“ und Plänen für einen „nationalen Aufstand“ kokettierte. Köhler war kein bloßer Mitläufer. Er bastelte Sprengsätze in seiner Stube, sammelte Waffen und las eifrig in neonazistischer Literatur, darunter Pamphlete über „Rassereinheit“ und Verschwörungstheorien. Im Sommer 1980 schloss er sogar einen Bausparvertrag ab und reiste nach Griechenland und Jugoslawien – Reisen, die seine später konstruierte „depressive Isolation“ entkräften. Nur Tage vor dem Attentat besuchte er einen Vortrag über Konzentrationslager in Baden-Württemberg und gründete eine Band, was zeigt, dass er keineswegs in einer suizidalen Krise schwebte, wie die ersten Ermittler behaupteten. Stattdessen deuten seine Äußerungen – er prahlte gegenüber Bekannten mit Plänen, „die Wahl zu beeinflussen“ – auf ein klares politisches Motiv hin. Der Bundestagswahlkampf 1980 stand unmittelbar bevor, und Köhler, ein glühender Bewunderer der CSU und ihres Spitzenkandidaten Franz-Josef Strauß, wollte mit dem Anschlag Chaos stiften, um die „Systemparteien“ zu diskreditieren und einen Rechtsruck zu provozieren. Strauß selbst, der neun Tage nach dem Attentat Bundeskanzler werden wollte, nutzte den Vorfall später propagandistisch, indem er die Schuld bei „Linksextremisten“ andeutete, was die Verharmlosung des rechten Motivs begünstigte.
Die unmittelbaren Folgen des Anschlags waren geprägt von Chaos und einer beispiellosen Verdrängungsdynamik, die die Narben der NS-Vergangenheit und die Ängste vor einer neuen Konfrontation mit dem Rechtsterrorismus offenlegte. In der Nacht der Explosion rasten Krankenwagen durch München, die Notaufnahmen der Kliniken quollen über, und die Theresienwiese – Symbol bayerischer Fröhlichkeit – wurde zur Gerichtsmedizin unter freiem Himmel. Am nächsten Morgen öffnete das Fest jedoch pünktlich um 11 Uhr weiter, als ob nichts geschehen wäre; nur an der Trauerfeier am 30. September blieb die Wiese geschlossen. Man war es seit Olympia 1972 schon gewöhnt und es war erprobt mit einem solchen Ereignis so umzugehen. Die Ermittlungen, geleitet vom bayerischen Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft München, stießen von Anfang an auf Widerstände: Obwohl Köhlers Neonazi-Hintergrund rasch klar war – seine Fingerabdrücke am Abfallkorb und Sprengstoffrückstände in seiner Wohnung sprachen Bände –, stuften die Behörden das Attentat als „unpolitisch“ ein, eine „persönliche Katastrophe“ eines „gestörten Einzelgängers“. Zeugenaussagen über weitere Verdächtige, wie eine Gruppe junger Männer mit Köhler kurz vor der Explosion, wurden ignoriert oder als „unzuverlässig“ abgetan; Akten verschwanden spurlos, und sogar die abgetrennte Hand am Tatort wurde Köhler zugeordnet, obwohl forensische Analysen Zweifel aufwarfen. Der Verfassungsschutz, der Hoffmanns Gruppe observierte, schwieg beharrlich über V-Mann-Kontakte, und politischer Druck – Strauß‘ Wahlkampf durfte nicht durch Enthüllungen über rechte Netzwerke gestört werden – sorgte dafür, dass das Verfahren bereits 1982 eingestellt wurde. Es dauerte weitere 32 Jahre, bis eine neue Zeugin 2014 aussagte, Köhler habe mit zwei Komplizen über den Anschlag gesprochen, was die Generalbundesanwaltschaft zum Wiederaufgreifen zwang. Bis 2020 flossen Millionen in neue Untersuchungen. Zehntausende Akten wurden gesichtet, Lichtbilder von der Wiese analysiert, und sogar eine Folge von „Aktenzeichen XY… ungelöst“ brachte 58 Hinweise. Dennoch endete das Verfahren wieder mit Einstellung. Köhler galt als Alleintäter, sein Motiv als rechtsextrem – eine Korrektur, die Opferanwalt Werner Dietrich und Journalist Ulrich Chaussy, der seit 1985 mit Büchern wie „Oktoberfest: Das Attentat“ gegen die Verdrängung kämpft, als Teilerfolg feierten, aber als unvollständig brandmarkten. Spekulationen über eine „Stay-behind-Operation“ ähnlich dem Anschlag in Bologna oder Stasi-Einfluss blieben unsubstantiiert, doch der Fund von BND-Akten in den 2020er Jahren und Berichte über ignorierte V-Leute wecken bis heute Zweifel an einer umfassenden Aufklärung.
Die langfristigen Auswirkungen des Oktoberfestattentats reichen weit über die Theresienwiese hinaus und dienen als Mahnmal für die Gefahren des Rechtsterrorismus, der in Deutschland nie ganz verschwand. Die Opfer und Hinterbliebenen kämpften jahrzehntelang um Anerkennung. Erst 2020 konnten sie Entschädigungen aus Fonds von Bund, Bayern und München beantragen, nach Jahren der Demütigungen durch Behörden, die ihre Schicksale bagatellisierten. Mahnmale entstanden schrittweise – 1981 eine erste Stele mit den Namen der Toten, 2008 erweitert um eine durchlöcherte Stahlwand, die an die Verletzten erinnert, und 2020 die „Dokumentation Oktoberfest-Attentat“ am Haupteingang, ein Ort mit Silhouettenpark, Videointerviews von Überlebenden wie Renate Martinez und interaktiven Exponaten, die das Grauen greifbar machen. Jährliche Gedenkveranstaltungen, zuletzt 2024 mit Reden von Oberbürgermeister Dieter Reiter und DGB-Jugend-Aktivisten, warnen vor dem Rechtsruck und fordern mehr Fokus auf die Betroffenen statt auf Täterhypes. Der Anschlag offenbarte systemische Versäumnisse: Die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde zwar 1980 verboten, doch ihre Ideologie sickert bis heute in AfD-nahe Kreise durch. Er erinnerte an die RAF-Ära, wo linker Terror Schlagzeilen machte, während rechter Hass im Verborgenen gedieh – ein Ungleichgewicht, das Chaussy als „Verdrängung des Rechtsterrors“ diagnostiziert. Heute, im Kontext von Anschlägen wie Solingen oder Hanau, steht das Oktoberfestattentat als Warnung. Es war kein Einzelfall, sondern der Auftakt zu einer Kette rechter Gewalttaten, die nur durch Wachsamkeit, Aufklärung und Solidarität mit den Opfern gestoppt werden kann. Die Wiese, wo einst Lachen erklang, flüstert nun von Resilienz und der Notwendigkeit, die Lektionen von 1980 nie zu vergessen.

4 Kommentare
Betreff: Die klaffende Wunde des Oktoberfest-Anschlags – Ein Schrei nach Wahrheit
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe den Leserbrief diesmal an zahlreiche Online-Medien übersandt. Mal sehen wer sich traut, diesen zu veröffentlichen.
Ihr Artikel „Die klaffende Wunde – der Münchner Oktoberfest-Anschlag 1980“ hat mich tief berührt und aufgewühlt. Als jemand, der in München aufgewachsen ist, ist das Oktoberfest für mich nicht nur ein Fest, sondern ein Stück Heimat – ein Ort der Freude, der Gemeinschaft. Doch seit jenem schrecklichen 26. September 1980, als 13 Menschen ihr Leben verloren und Hunderte verletzt wurden, ist dieser Ort für mich und viele andere mit Schmerz verbunden. Ihr Artikel hat diesen Schmerz wieder spürbar gemacht, aber auch die Wut über die ausbleibende Aufklärung. Eine Frage brennt mir besonders auf der Seele.
Warum wird die Wahrheit über die Verbindungen zu V-Männern, Wehrsportgruppen und sogar der DDR bis heute verschwiegen?
Ich erinnere mich an die frühen 1980er Jahre, als die Enthüllungen eines V-Manns aus Nordrhein-Westfalen einmal auftauchten.
Dieser Mann, eingebettet in die rechtsradikale Wehrsportgruppe in Unna, sprach davon, dass Waffen für die rechte Szene aus der DDR kamen – und dass angeblich Verwandte des Attentäters Gundolf Köhler darin verstrickt waren. Es ist erschütternd. Dieser V-Mann wurde von seinem eigenen V-Mann Führer bedroht, nur um die Wahrheit zu verschweigen. Die Wehrsportgruppe in Unna war keine Unbekannte – sie sorgte bei Protesten gegen das AKW in Hamm für Gewalt.
Bei dem sogenannten „B1-Zwischenfall“ wurde eine solche Waffenübergabe beobachtet. Von da aus führten die Spuren und Verbindungen nach Hannover, die der Journalist Ulrich Chaussy Jahre später aufdeckte. Chaussy, der mit Herzblut für die Opfer kämpft, zeigte, wie V-Leute wie Walter Ulrich Behle oder Odfried Hepp tief in die Szene verstrickt waren – geschützt von einem Verfassungsschutz, der wegsah. Durch die Wehrsportgruppen waren schon Gruppen wie der NSU geplant.
Jedes Mal, wenn ich am Mahnmal am Haupteingang des Oktoberfests vorbeigehe, spüre ich die Ohnmacht. Gundolf Köhler war kein verwirrter Einzelgänger, wie man uns glauben machen wollte. Er war Teil eines Netzwerks – ausgebildet in der Wehrsportgruppe Hoffmann, die erst kurz nach dem Anschlag verboten wurde, während Splittergruppen wie in Unna weiter ihr Unwesen trieben. Die Hinweise auf DDR-Waffen und die Vertuschung durch V-Mann-Führer lassen mich nicht los.
Waren hier größere Mächte am Werk?
Stasi-Kontakte? Geheime Operationen als Gegenleistung für die Kredite durch Strauß an die DDR?
Chaussy hat viele Fragen gestellt, und ich frage mit ihm. Warum wird das ignoriert?
45 Jahre später blutet die Wunde noch immer. Die Parallelen zum NSU-Skandal, wo V-Leute wieder „versagten“, machen mich fassungslos. Für die Opfer, für ihre Familien, für uns alle fordere ich mit Nachdruck. Wir brauchen einen unabhängigen Untersuchungsausschuss, wie Chaussy ihn verlangt. Die Wahrheit über Unna, Hannover und die DDR-Verbindungen darf nicht länger im Dunkeln bleiben. Die Opfer des Oktoberfest-Anschlags verdienen Gerechtigkeit – und wir, die Nachgeborenen, die Gewissheit, dass so etwas nie wieder vertuscht wird.
Mit traurigen Grüßen aus München,
Sehr geehrter Leser, auch für uns ist die Situation belastend, wenn wir darüber schreiben. Wir veröffentlichen, obschon wir uns fragen, warum Sie sich mit dem Wissen nicht an die Behörden gewandt haben?
Leider haben wir nichts über den B1 – Zwischenfall gefunden. Wir können uns das vorstellen, haben Sie vielleicht einen Link oder können Sie Mail senden?
Wenn es Ihnen möglich ist, bitte ich Sie höflichst, dass die Leserbriefe in diesem Artikel öffentlich bleiben.
So kann niemand behaupten, dass wir Schmu betreiben.
Die Geschichte des Kalten Krieges ist ein Labyrinth aus Halbwahrheiten, Vertuschungen und Fragen, die uns bis heute nicht loslassen. Was war der sogenannte „B1-Zwischenfall“ und die mysteriösen Waffendepots des Försters Heinz Lembke in der Lüneburger Heide?
Diese Ereignisse sind mehr als historische Fußnoten – sie sind ein Mahnmal dafür, wie leicht Wahrheiten unter den Teppich gekehrt werden können.
Was geschah wirklich in jenen Jahren?
Wer hatte ein Interesse daran, dass die Wahrheit verborgen bleibt?
Der „B1-Zwischenfall“
Was genau war der „B1-Zwischenfall“? Die Quellen schweigen sich weitgehend aus, doch die Spuren führen in die Lüneburger Heide, jene unheimlich nahe Grenzregion zwischen Ost und West, wo sich in den 1970er und 80er Jahren die Schatten des Kalten Krieges verdichteten. War es der dreiste Waffenraub der neonazistischen Wehrsportgruppe (WSG) Hoffmann 1978 auf dem NATO-Übungsplatz Bergen-Hohne?
Dort stahlen rechtsextreme Paramilitärs Waffen und Munition, um ihre Umsturzpläne zu verwirklichen – ein Skandal, der die BRD erschütterte, aber schnell verdrängt wurde. Oder verbirgt sich hinter „B1“ eine geheime Stasi-Operation, wie sie in den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit Codenummern wie dieser auftauchen? Die Stasi überwachte Gruppen wie die WSG mit Argusaugen, setzte Informanten wie Odfried Hepp ein, um Anschläge auf die DDR zu verhindern. Doch was, wenn mehr dahintersteckt? Die Unklarheit um „B1“ ist wie ein Stachel in unserer Erinnerung – sie fordert uns auf, nicht wegzusehen, sondern nachzuhaken.
DDR-Waffen für Neonazis?
Eine schockierende Vorstellung
Die Idee, dass die DDR rechtsextreme Gruppen in der BRD mit Waffen versorgte, klingt wie ein Albtraum. Doch ist sie wirklich so abwegig? Die DDR war ein globaler Akteur im Waffenhandel, exportierte Rüstungsgüter in Milliardenhöhe in Krisengebiete wie Syrien oder den Irak, oft über zwielichtige Strohfirmen. Könnte sie, wie einige Historiker andeuten, auch westdeutsche Neonazis bewaffnet haben, um Chaos in der BRD zu säen?
Die Stasi infiltrierte Gruppen wie die WSG Hoffmann, um sie zu kontrollieren – aber war da mehr? Bis heute fehlen harte Beweise, und das macht die Sache so beunruhigend. Die Waffen der WSG stammten nachweislich aus Diebstählen bei Bundeswehr und NATO, doch die Möglichkeit, dass die DDR indirekt ihre Finger im Spiel hatte, lässt einen frösteln. Es ist ein Gedanke, der uns zwingt, die moralischen Grauzonen des Kalten Krieges zu hinterfragen. Warum wurde nicht gründlicher ermittelt? Wer hatte ein Interesse daran, dass solche Verbindungen im Dunkeln bleiben?
Heinz Lembke – Der Mann, der zu viel wusste
Am Herzen dieser Geschichte steht Heinz Lembke, der Förster aus Uelzen, dessen Leben und Tod wie ein Krimi lesen. Lembke, 1959 aus der DDR geflohen und in neonazistischen Kreisen aktiv, hortete in der Lüneburger Heide ein Arsenal, das einem die Sprache verschlägt.
33 Depots mit 13.520 Schuss Munition, 50 Panzerfäusten, 156 kg Sprengstoff und 258 Handgranaten. Ein Zufallsfund 1981 brachte die Wahrheit ans Licht – doch nur für einen Moment. Lembke gestand die Standorte seiner Depots, doch am 1. November 1981 fand man ihn erhängt in seiner Zelle, einen Tag bevor er Hintermänner nennen wollte.
Selbstmord?
Oder wurde er zum Schweigen gebracht, wie einige vermuten? Die Verbindung zu Gladio, der geheimen NATO-Armee, liegt nahe – solche Depots waren typisch für Stay-behind-Operationen. Ebenso tauchen Fragen zum Oktoberfest-Attentat 1980 auf, bei dem Lembke Sprengstoff angeboten haben soll. Woher kamen diese Waffen? Aus Bundeswehr-Beständen? Vom Schwarzmarkt? Oder, kaum vorstellbar, aus der DDR? Lembkes Tod riss die Antworten ins Grab, und die Ermittlungen wurden erschreckend schnell eingestellt. Das Schweigen um diesen Fall schreit nach Aufklärung.
Die Lüneburger Heide war kein abgelegener Ort, sondern ein Brennpunkt des Kalten Krieges – ein Ort, wo Neonazis, Geheimdienste und Schmuggler aufeinandertreffen konnten. Die Geschichten um „B1“ und Lembke sind wie Splitter eines zerbrochenen Spiegels. Sie zeigen uns Bruchstücke einer Wahrheit, die wir noch nicht vollständig verstehen. Doch genau das macht sie so wichtig. Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Kapitel unserer Geschichte verstauben. Die Freigabe weiterer Stasi- und BND-Akten, eine kritische Auseinandersetzung mit Gladio und eine ehrliche Debatte über die Verflechtungen von Ost und West könnten uns Antworten geben – und uns lehren, wie fragil unsere Demokratie ist, wenn Geheimnisse unangetastet bleiben.
Lassen Sie uns nicht wegschauen!
Fragen wir nach: Wer profitierte von Lembkes Schweigen? Wer von seinem Suizid in der JVA Lüneburg?
Warum wurden die Ermittlungen so schnell abgebrochen? Und was sagt es über unsere Geschichte, wenn wir solche Fragen nicht stellen?
Die Lüneburger Heide war kein Niemandsland – sie war ein Spiegel unserer geteilten Vergangenheit. Es ist an der Zeit, dass wir hineinschauen, so schmerzhaft es auch sein mag.
Mit der Bitte um Veröffentlichung und einem Plädoyer für historische Wahrheit,
Dieser Leserbrief basiert auf öffentlich zugänglichen Quellen, darunter historische Archive ( Bundesarchiv etc.)
Mit großem Interesse verfolge ich Ihre Berichterstattung über historische und politische Themen, insbesondere jene, die Licht in die komplexen Verflechtungen der deutschen Nachkriegsgeschichte bringen. Ich möchte Ihnen eine wenig bekannte, doch aber brisante Episode aus dem Herbst 1982 schildern, die als „B1-Zwischenfall“ mir bekannt ist.
Diese Information stammt von einem mittlerweile verstorbenen Redakteur des Westdeutschen Rundfunks (WDR), der direkten Kontakt zu einem V-Mann hatte, der in rechtsextremen Kreisen operierte. Die Details werfen ein Schlaglicht auf die undurchsichtigen Verbindungen zwischen westdeutschen Behörden, DDR-Strukturen und Neonazi-Gruppen wie der Wehrsportgruppe Hengst.
Der sogenannte B1-Zwischenfall ereignete sich an der Bundesstraße 1 in Nordrhein-Westfalen (NRW), vermutlich auf einem Rastplatz in der Nähe von Dortmund oder weiter östlich Richtung Niedersachsen. In jener Nacht im Herbst 1982 soll ein LKW der DDR-Spedition Deutrans, die mit ihrer orangefarbenen Flotte ein vertrauter Anblick auf Transitstrecken war, auf diesem Parkplatz gehalten haben. Laut meiner Quelle übergab der LKW eine Ladung West-Waffen an einen VW-Bus, der direkt mit ehemaligen Mitgliedern der verbotenen Wehrsportgruppe Hengst in Verbindung stand. Diese Gruppe, eine Abspaltung oder ein Nachfolger der berüchtigten Wehrsportgruppe Hoffmann, war in NRW und Niedersachsen aktiv und pflegte paramilitärische Strukturen mit dem Ziel, rechtsextreme Aktionen durchzuführen.
Auch diese Wehrsportgruppe war verboten.
Die Übergabe wurde offenbar vom Staatsschutz und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet, die durch einen V-Mann in die Aktivitäten der Gruppe eingebunden waren. Dieser V-Mann, so der WDR-Redakteur, wollte sich „absichern“, was darauf hindeutet, dass er entweder Informationen an die Behörden weiterleitete oder versuchte, sich aus der Operation zurückzuziehen.
Die Teile der Wehrsportgruppe Hengst, obwohl weniger bekannt als ihre Vorgängerin unter Karl-Heinz Hoffmann, war in den frühen 1980er Jahren ein aktiver Akteur im rechtsextremen Untergrund. Ihre Verbindungen reichten bis in die DDR, die – wie historische Dokumente belegen – rechtsextreme Gruppen im Westen unterstützte, um die Bundesrepublik zu destabilisieren.
Warum wurde über diesen Vorfall nie öffentlich gesprochen? Hier kommt ein politisch brisanter Aspekt ins Spiel, der mit Franz Josef Strauß und den milliardenschweren Krediten an die DDR zusammenhängt.
1982 stand die DDR vor der Zahlungsunfähigkeit, mit sinkenden Sowjet-Subventionen und einer Devisenkrise. Strauß, der damalige CSU-Vorsitzende, vermittelte 1983 einen 1-Milliarden-DM-Kredit westdeutscher Banken an die DDR, gefolgt von einem zweiten Kredit 1984. Diese Deals, ausgehandelt über Mittelsmänner wie den Fleischgroßhändler Josef März und Stasi-Offizier Alexander Schalck-Golodkowski, waren hoch umstritten. Sie retteten die DDR kurzfristig vor dem Kollaps, kosteten Strauß jedoch politisches Kapital – nicht zuletzt, weil sie die Entstehung der Republikaner-Partei durch enttäuschte CSU-Rechte wie Franz Schönhuber begünstigten.
Ein Skandal wie der B1-Zwischenfall – der Beweis, dass die DDR Waffen an westdeutsche Neonazis wie die Wehrsportgruppe Hengst lieferte – hätte diese Verhandlungen gefährdet. Er hätte nicht nur Strauß’ Glaubwürdigkeit als Hardliner gegen den „Klassenfeind“ beschädigt, sondern auch die fragile Ostpolitik der neuen Kohl-Regierung untergraben. Die Vertuschung des Vorfalls erscheint daher plausibel. Der Schutz von V-Leuten und die Sicherung der Kreditverhandlungen hatten Vorrang. Deutrans, als staatliche DDR-Spedition, war ein ideales Vehikel für solche Operationen, da ihre LKW Grenzkontrollen oft ungestört passierten.
Ich bin mir bewusst, dass diese Geschichte auf Insiderwissen basiert, das schwer zu verifizieren ist, da mein Informant verstorben ist und keine öffentlichen Dokumente den Vorfall direkt belegen. Vor Jahren wurde ich gefragt, ob ich das beweisen könne.
Dennoch passt sie in das bekannte Muster von Stasi-Taktiken der „Zersetzung“ und westdeutscher Geheimdienstoperationen.
Mit freundlichen Grüßen aus München,