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Frankreich

Sterbehilfe in Frankreich

Titelbild: Beispielbild Pixabay

 

Die Debatte über Sterbehilfe in Frankreich ist ein komplexes und kontroverses Thema, das in den letzten Jahren intensiv diskutiert wurde. Es umfasst ethische, rechtliche, medizinische und gesellschaftliche Aspekte.

In Frankreich ist aktive Sterbehilfe, das gezielte Verabreichen eines tödlichen Mittels durch eine andere Person derzeit verboten. Allerdings sind andere Formen der Sterbebegleitung, wie passive Sterbehilfe, Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, z. B. Abschalten von Beatmungsgeräten und indirekte Sterbehilfe, Verabreichung schmerzlindernder Medikamente, die als Nebenwirkung den Tod beschleunigen können, , gesetzlich zulässig. Das derzeitige Gesetz, das sogenannte Claeys-Leonetti-Gesetz von 2016, bildet den rechtlichen Rahmen für die Begleitung am Lebensende.

Die tiefe und kontinuierliche Sedierung bis zum Tod für unheilbar kranke Patienten mit unerträglichem Leiden, deren Lebensprognose kurzfristig ist, ist eine Möglichkeit.

Den Abbruch von Behandlungen, wenn diese als „unverhältnismäßig“ oder „unnötig“ gelten, sofern dies dem Willen des Patienten entspricht.

Die Möglichkeit, dass Ärzte kollegial entscheiden, wenn der Patient seinen Willen nicht mehr äußern kann.

Das Claeys-Leonetti-Gesetz wurde als Kompromiss gesehen, da es die aktive Sterbehilfe verbietet, aber dennoch Optionen für schwerkranke Patienten bietet, ihr Leiden zu lindern. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Regelungen vage sind und in der Praxis oft nicht ausreichen, um den Bedürfnissen sterbender Menschen gerecht zu werden. Insbesondere die Sedierung kann in manchen Fällen Wochen oder Monate andauern, was von einigen Medizinern als weniger human angesehen wird als die aktive Sterbehilfe.

Seit 2022 hat sich die Diskussion über eine Reform der Sterbehilfe in Frankreich erheblich intensiviert, insbesondere durch die Initiative von Präsident Emmanuel Macron, der während seines Wahlkampfs versprach, die aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid unter strengen Bedingungen zu legalisieren, nach dem Vorbild von Ländern wie Belgien oder der Schweiz.

Im Dezember 2022 wurde ein Bürgerrat einberufen, der aus 185 zufällig ausgewählten Bürgern bestand und ein repräsentatives Abbild der französischen Bevölkerung darstellen sollte. Dieser Bürgerrat arbeitete anderthalb Jahre lang an Empfehlungen zur Sterbehilfe. Am 2. April 2023 stimmte der Bürgerrat mit 75,6 % für die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe, wobei ein Teil der Befürworter sie nur als Ausnahme und andere als Wahlfreiheit neben der Beihilfe zum Suizid sahen. Der Abschlussbericht betonte die unzureichende Anwendung der bestehenden Gesetze und die mangelhafte Versorgung in der Palliativmedizin.

Die Arbeit des Bürgerrats wurde vom französischen Ethikrat unterstützt, der 2022 erklärte, dass eine begrenzte Zulassung der aktiven Sterbehilfe unter strengen Voraussetzungen ethisch vertretbar sei. Voraussetzungen wären, dass nur volljährige, urteilsfähige Personen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen Krankheiten Zugang erhalten, deren Schmerzen nicht gelindert werden können. Patienten mit psychischen Erkrankungen oder neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer wurden ausgeschlossen.

Am 10. April 2024 legte die französische Regierung einen Gesetzentwurf vor, der aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid unter bestimmten Bedingungen erlauben soll. Am 27. Mai 2025 stimmte die Nationalversammlung in erster Lesung mit 305 zu 199 Stimmen für diesen Entwurf. Der Gesetzentwurf sieht folgende Regelungen vor. Patienten müssen volljährig sein, die französische Staatsbürgerschaft besitzen oder dauerhaft in Frankreich leben. Sie müssen an einer schweren, unheilbaren Krankheit leiden, die sich in einem fortgeschrittenen oder terminalen Stadium befindet und körperliche oder psychische Schmerzen verursacht, die als unerträglich gelten.

Der Patient muss den Wunsch nach Sterbehilfe freiwillig und bei vollem Bewusstsein äußern. Mindestens zwei Ärzte müssen die Diagnose und den Zustand bestätigen. Ein medizinisches Team prüft den Antrag innerhalb von zwei Wochen.

Im Regelfall soll der Patient das tödliche Medikament selbst einnehmen ,assistierter Suizid. Falls dies aufgrund des körperlichen Zustands nicht möglich ist, kann ein Arzt, eine Pflegekraft oder eine Person der emWahl des Patienten das Medikament verabreichen. Das ist aktive Sterbehilfe.

Ein wichtiger Aspekt des Gesetzentwurfs ist, dass die Behinderung von Suizidbeihilfe künftig strafbar sein soll, mit bis zu zwei Jahren Haft oder 30.000 Euro Strafe. Dies soll Orte schützen, an denen Sterbehilfe durchgeführt wird, und moralischen oder psychischen Druck auf Patienten und Fachpersonal verhindern.

Der Gesetzentwurf muss noch den Senat passieren, der deutlich konservativer eingestellt ist. Sollten dort Änderungen vorgenommen werden, ist eine zweite Lesung in der Nationalversammlung erforderlich, die voraussichtlich Anfang 2026 stattfinden könnte. Präsident Macron hat angekündigt, im Falle eines Scheiterns im Parlament ein Referendum über die Sterbehilfe abzuhalten, da Umfragen zeigen, dass etwa 85–94 % der Franzosen die Legalisierung unterstützen.

Neben dem Gesetzentwurf zur Sterbehilfe wurde ein zweiter Text zur Stärkung der Palliativmedizin einstimmig verabschiedet. Kritiker betonen, dass nur etwa 50 % der 400.000 Menschen in Frankreich, die Anspruch auf Palliativversorgung haben, tatsächlich Zugang dazu erhalten. Dieses Versorgungsdefizit wird als zentraler Kritikpunkt an der aktuellen Lage gesehen, da viele Gegner der Sterbehilfe argumentieren, dass eine bessere Palliativversorgung die Notwendigkeit für Sterbehilfe verringern könnte.

Die Debatte über Sterbehilfe in Frankreich ist stark polarisiert. Die wichtigsten Argumente und Akteure lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Befürworter der Legalisierung. Umfragen zeigen eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. Eine IFOP-Umfrage von 2022 ergab, dass 94 % der Franzosen die Legalisierung für Menschen mit extremem und unheilbarem Leiden befürworten, und 84 % unterstützen die Beihilfe zum Suizid.

Befürworter wie der Abgeordnete Jean-Louis Touraine, selbst Arzt, argumentieren, dass die Möglichkeit der Sterbehilfe eine humane Antwort auf unerträgliches Leiden sei. Fälle wie der von Alain Cocq, der 2020 sein Leiden öffentlich machte, haben die Dringlichkeit des Themas unterstrichen. Viele betonen das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende. Der Bürgerrat und Teile des Ethikrates argumentieren, dass Patienten die Freiheit haben sollten, ihren Tod zu wählen, wenn keine Heilung oder Linderung möglich ist.

Konservative und religiöse Gruppen: Die katholische Kirche, konservative Abgeordnete (z. B. von Les Républicains) und die extreme Rechte lehnen die Legalisierung ab. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Éric de Moulins-Beaufort, bezeichnete Sterbehilfe als „Verlassenheit“ und „Verweigerung der Hilfe bis zum Ende“. Viele Ärzte, wie Vincent Morel, Leiter einer Palliativabteilung, argumentieren, dass eine bessere Palliativversorgung ausreicht, um Leiden zu lindern. Rund 21.000 Gesundheitsfachkräfte haben ein Manifest gegen die Legalisierung unterzeichnet, da sie befürchten, dass Sterbehilfe als „Ersatz“ für mangelnde Pflege angeboten werden könnte.Kritiker wie der konservative Abgeordnete Thibault Bazin warnen vor einer „Normalisierung des Todes“ und der Gefahr, dass vulnerable Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, psychischem Druck ausgesetzt sein könnten. Es gibt auch Befürchtungen, dass wirtschaftliche Motive, Kosteneinsparungen im Gesundheitssystem, die Entscheidungen beeinflussen könnten.

Ehemalige Politiker wie Ex-Gesundheitsminister François Braun warnen vor unzureichenden Schutzmaßnahmen und einer möglichen schleichenden Ausweitung der Kriterien, wie es in anderen Ländern beobachtet wurde.

Frankreich orientiert sich teilweise an Ländern wie Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Spanien, wo aktive Sterbehilfe bereits legal ist.

In Belgien und den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe seit 2002 erlaubt, auch für Minderjährige unter bestimmten Bedingungen, in den Niederlanden und Luxemburg mit Zustimmung der Eltern.

In Spanien ist sie seit 2021 für unheilbar Kranke erlaubt, psychische Erkrankungen sind ausgeschlossen.

In der Schweiz ist Beihilfe zum Suizid legal, solange sie nicht aus „selbstsüchtigen Beweggründen“ erfolgt, aber es gibt kein Gesetz zur aktiven Sterbehilfe.

Viele Franzosen, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchten, reisen derzeit in die Schweiz oder nach Belgien, was laut Berichten zusätzliches Leiden verursacht. Der mangelnde Zugang zur Palliativversorgung bleibt ein zentrales Problem. Gegner der Reform fordern, dass die Palliativmedizin ausgebaut wird, bevor Sterbehilfe legalisiert wird.

Das französische Gesundheitssystem steht unter finanziellen Druck, was die Umsetzung einer flächendeckenden Palliativversorgung erschwert. Kritiker wie Frédéric Bizard sehen die Gefahr, dass Sterbehilfe als kostengünstige Alternative zur Pflege gefördert werden könnte.

Die Debatte wird von der Spannung zwischen individueller Autonomie und dem Schutz vulnerabler Gruppen geprägt. Die Frage, wie ein Missbrauch verhindert werden kann, bleibt zentral.

Der konservative Senat könnte den Gesetzentwurf blockieren oder erheblich abändern, was die Reform verzögern könnte. Macrons Bereitschaft, ein Referendum abzuhalten, zeigt jedoch den politischen Willen, das Thema voranzutreiben.

Die Diskussion über Sterbehilfe in Frankreich steht an einem Wendepunkt. Der Gesetzentwurf zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid, der 2025 in der Nationalversammlung in erster Lesung angenommen wurde, markiert einen wichtigen Schritt hin zu einer Liberalisierung. Die breite gesellschaftliche Unterstützung und die Arbeit des Bürgerrats zeigen, dass viele Franzosen eine Änderung der bisherigen Gesetze befürworten. Dennoch bleibt die Debatte von starkem Widerstand geprägt, insbesondere von konservativen und religiösen Gruppen sowie Teilen des medizinischen Personals, die eine Stärkung der Palliativmedizin fordern. Ob die Reform 2026 in Kraft tritt, hängt vom Senat und weiteren politischen Entwicklungen ab. Die Debatte wirft grundlegende Fragen zur Selbstbestimmung, Menschenwürde und der Rolle des Staates Umgang mit dem Lebensende auf.

 

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