Titelbild: Burg Pfalzgrafenstein, 1990, kasaan media, 2025
Die Burg Pfalzgrafenstein, oft einfach „die Pfalz“ genannt, erhebt sich wie ein steinernes Schiff auf der kleinen Felseninsel Falkenau mitten im Rhein bei Kaub.
Diese einzigartige Inselburg, die seit ihrer Erbauung im Jahr 1326/27 eine bedeutende Rolle in der Geschichte des Mittelrheintals spielt, ist nicht nur ein architektonisches Kleinod, sondern auch ein Symbol für die mittelalterliche Machtpolitik und den wirtschaftlichen Einfluss der Pfalzgrafen bei Rhein. Ihre ungewöhnliche Lage, 110 Meter vom rechten und 160 Meter vom linken Rheinufer entfernt, machte sie zu einem nahezu uneinnehmbaren Bollwerk, das in erster Linie der Sicherung der Zollstation in Kaub diente. Die Burg, die heute Teil des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal ist, gehört neben der Marksburg und der Burg Boppard zu den wenigen nahezu unzerstörten und kaum veränderten Burgen der Region, was ihre historische Authentizität unterstreicht.
Die Geschichte der Burg beginnt mit König Ludwig dem Bayern, einem Wittelsbacher, der von 1314 bis 1347 römisch-deutscher König und später Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war. Um seine Einnahmen aus dem Rheinzoll zu sichern, ließ er 1326/27 einen fünfeckigen Turm errichten, der als Wellen- und Eisbrecher konzipiert war, um den Naturgewalten des Flusses standzuhalten. Diese strategische Entscheidung war nicht unumstritten: Papst Johannes XXII. rief 1327 die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln dazu auf, sich gegen den Bau zu stellen, da er die kirchlichen Zolleinnahmen in der Region bedrohte.
Der Papst exkommunizierte Ludwig, doch die geplante Zerstörung des Turms blieb aus. Stattdessen wurde die Burg weiter ausgebaut. Um 1340 ließ Ludwig eine sechsseitige, etwa 12 Meter hohe Ringmauer mit Wehrgängen errichten, die die Verteidigungsfähigkeit der Anlage erheblich stärkte. Diese Maßnahmen machten die Burg zu einer der effektivsten Zollstationen zwischen Mainz und Köln, da Schiffe die enge Passage zwischen der Insel und dem Kauber Ufer passieren mussten, wo der Zoll erhoben wurde.
Die Burg Pfalzgrafenstein war nie als Wohnsitz gedacht, sondern diente ausschließlich der Überwachung und Sicherung des Rheinzolls, einer der einträglichsten Einnahmequellen der Pfalzgrafen. Ihre Lage im sogenannten „Wilden Gefähr“, einem Abschnitt des Rheins mit starken Strömungen und Stromschnellen, verstärkte ihre strategische Bedeutung. Bis ins 19. Jahrhundert führte der Schiffsverkehr fast ausschließlich am rechten Rheinufer entlang, wo die Burg in Verbindung mit der Stadt Kaub und der nahegelegenen Burg Gutenfels eine beherrschende Stellung einnahm. Katapulte und später Kanonen, die auf das rechte Fahrwasser gerichtet waren, sicherten die Kontrolle über die Schifffahrt. Im Zuge von Rheinbegradigungen in den 1970er Jahren wurde die Fahrrinne jedoch auf die linke Seite verlegt, wodurch die ursprüngliche Dominanz der Burg heute weniger offensichtlich ist.
Im Laufe der Jahrhunderte widerstand die Burg zahlreichen Belagerungen und Konflikten. So überstand sie 1504 unversehrt eine 39-tägige Belagerung während des Bayerisch-Pfälzischen Erbfolgekriegs und wurde 1620 während des Dreißigjährigen Kriegs von spanischen Truppen besetzt, ohne jedoch erheblich beschädigt zu werden. Im Jahr 1714 erhielt der zentrale Turm eine charakteristische barocke Haube, die der Burg ihr heutiges, markantes Erscheinungsbild verleiht. Nach einem Brand im Jahr 1756 wurde sie renoviert, wobei die barocke Farbgebung in Rot und Weiß, die 1970/71 wiederhergestellt wurde, erhalten blieb.
Im Jahr 1803 ging die Burg unter Napoleon an das Herzogtum Nassau über, und nach der preußischen Annexion beider Rheinseiten im Jahr 1867 verließen die letzten Zollbeamten die Insel. Bis in die 1960er Jahre diente die Burg als Signalstation für die Schifffahrt, bevor sie schließlich als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Die Architektur der Burg ist ebenso faszinierend wie ihre Geschichte. Ihr Grundriss erinnert an ein langgestrecktes, ungleichseitiges Sechseck, das stromabwärts an die Form eines Schiffes angelehnt ist. Der zentrale Turm, heute 36 Meter hoch und sechs Stockwerke umfassend, ist von einer gotischen Ringmauer mit schmalen Schießscharten umgeben. Im Inneren finden sich karge, aber authentische Räume wie die Kommandantenwohnung, die ehemalige Pulverkammer und ein tiefes Verlies, das für säumige Zollschuldner gedacht war. Besonders bemerkenswert sind die hölzernen Wehrerker, die nur an wenigen Burgen erhalten geblieben sind, sowie die Wendeltreppe, die die Geschosse des Turms verbindet. An der Südspitze der Burg prangt eine Kopie des barocken Löwenwappens der Pfalz, während das Original im Landesmuseum Wiesbaden aufbewahrt wird.
Heute ist die Burg Pfalzgrafenstein ein beliebtes touristisches Ziel, das von Kaub aus mit einer kleinen Personenfähre erreichbar ist, sofern der Rheinpegel dies zulässt – bei einem Wasserstand von über 4,10 Metern ist die Insel nicht zugänglich. Die Öffnungszeiten variieren je nach Saison: Von März bis Oktober ist die Burg täglich geöffnet, im November sowie im Januar und Februar nur an Wochenenden. Die interaktive und familienfreundliche Ausstellung im Inneren vermittelt Einblicke in das mittelalterliche Leben, die Machtkämpfe und die karge Existenz auf der Burg. Besucher können die gotischen Wehrgänge, die Geschützbastion und den Hauptturm erkunden, von wo aus sich ein beeindruckender Blick über den Rhein eröffnet. Gelegentlich finden kulturelle Veranstaltungen statt, und seit 2007 erstrahlt die Burg nach einer Restaurierung wieder in ihrer historischen Farbgebung, die bei Nacht durch Beleuchtung besonders zur Geltung kommt.
Die Burg ist nicht nur ein Zeugnis mittelalterlicher Baukunst, sondern auch ein Ort, der von romantischen Sagen umwoben ist. Eine bekannte Geschichte erzählt von der Pfalzgräfin Agnes von Staufen, die sich gegen den Willen ihres Vaters in den Welfen Heinrich von Braunschweig verliebte. Der Legende nach ließ der Pfalzgraf die Burg errichten, um die Liebenden zu trennen, doch die heimliche Hochzeit der beiden auf der Burg Stahleck führte schließlich zu einer Versöhnung. Ob Agnes tatsächlich auf der Pfalzgrafenstein verweilte, ist historisch umstritten, doch die Sage verleiht der Burg eine zusätzliche romantische Aura.
Die Pfalzgrafenstein ist heute ein Wahrzeichen des Mittelrheintals, das durch seine einzigartige Lage, seine gut erhaltene Substanz und seine historische Bedeutung besticht. Sie erzählt von einer Zeit, in der der Rhein nicht nur ein Lebensader, sondern auch ein Schauplatz von Macht und Reichtum war. Ein Besuch der Burg verspricht nicht nur einen Einblick in die Geschichte, sondern auch ein unvergleichliches Erlebnis inmitten der malerischen Rheinlandschaft.
