Friedrich Merz ist seit heute der zehnte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seine Wahl markiert einen historischen Wendepunkt, da er im ersten Wahlgang überraschend die nötige Mehrheit verfehlte – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Im zweiten Wahlgang sicherte er sich schließlich die Kanzlermehrheit mit 325 Stimmen.
Friedrich Merz, geboren am 11. November 1955 in Brilon (Nordrhein-Westfalen), ist ein Politiker, Jurist und Wirtschaftsliberaler. Er ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und gilt als diszipliniert, aber teils impulsiv. Seine politische Karriere begann 1989 im Europäischen Parlament, gefolgt von einer langen Zeit als Bundestagsabgeordneter (1994–2009). Als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion (2000–2002) war er Oppositionsführer, geriet jedoch in Konflikt mit Angela Merkel, was ihn zeitweise aus der Politik drängte. Nach einer Phase in der Wirtschaft kehrte er 2021 in den Bundestag zurück und wurde 2022 CDU-Vorsitzender.
Merz steht für ein konservatives und wirtschaftsliberales Profil. Er setzte sich für eine Rückkehr zur Wehrpflicht, das Festhalten an der Atomenergie und eine stärkere Betonung der „deutschen Leitkultur“ ein. Seine Rhetorik, etwa zu Migration, sorgte wiederholt für Kontroversen, etwa als er von „Sozialtourismus“ sprach oder Kinder mit Migrationshintergrund als „kleine Paschas“ bezeichnete. Dennoch distanziert er sich klar von der AfD und lehnt jede Zusammenarbeit ab
Die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar 2025 brachte der CDU/CSU unter Merz’ Führung die meisten Stimmen. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition im November 2024 einigten sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag, der am 6. Mai 2025 eine schwarz-rote Regierung ermöglichte. Die Verhandlungen waren intensiv: Die SPD sicherte sich mehrere Ministerien, während die Grünen durch Zusagen zum Klimaschutz (100 von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen) eine Reform der Schuldenbremse unterstützten. Die Zustimmung der Parteien erfolgte durch einen kleinen CDU-Parteitag, ein SPD-Mitgliedervotum und die CSU-Gremien.
Am 6. Mai 2025 scheiterte Merz im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl – ein historisches Ereignis, da noch nie ein designierter Kanzler nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen die Mehrheit verfehlte. In geheimer Abstimmung erhielt er nur 310 von 621 abgegebenen Stimmen, sechs weniger als die erforderliche absolute Mehrheit von 316. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD verfügte über 328 Sitze, was auf mindestens 18 Abweichler hinweist. Wer diese waren, bleibt unklar, da die Wahl geheim war. SPD und Union betonten, alle Abgeordneten seien anwesend gewesen, was Spekulationen über interne Konflikte oder „Denkzettel“ nährte.
Die Reaktionen waren vielschichtig:
Parteichefin Alice Weidel und Bernd Baumann bezeichneten das Ergebnis als Beweis für die Schwäche der Koalition und sprachen gar von „Wahlbetrug“, ohne Belege.
Franziska Brantner nannte das Scheitern „bedauerlich“ und warnte vor einer Schwächung der Demokratie.
In Frankreich löste das Ergebnis Besorgnis aus. EU-Abgeordnete Valérie Hayer sprach von einem „politischen Schock“, französische Minister von einer „Katastrophe“.
Beide Fraktionen schoben sich gegenseitig die Schuld zu, betonten aber die Notwendigkeit einer schnellen Lösung
Noch am Nachmittag des 6. Mai fand ein zweiter Wahlgang statt, ermöglicht durch eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag (unterstützt von Grünen und Linken). Um 15:15 Uhr begann die Abstimmung, und Merz erhielt 325 von 618 Stimmen (289 Nein-Stimmen, eine Enthaltung, drei ungültige). Damit überschritt er die nötige Mehrheit von 316 Stimmen. Er nahm die Wahl an, wurde vom Bundespräsidenten ernannt und leistete seinen Amtseid.
Das schnelle Handeln wurde von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und SPD-Chef Lars Klingbeil begründet: Deutschland brauche angesichts wirtschaftlicher und internationaler Herausforderungen eine stabile Regierung.
Merz hat klare Prioritäten für seine Amtszeit formuliert
Verschärfte Kontrollen mit Zurückweisungen an den Grenzen, inspiriert von Vorfällen wie den Angriffen in Solingen oder Magdeburg.
Förderung von Wachstum durch Investitionsbooster, niedrigere Energiepreise und weniger Bürokratie. Steuerentlastungen für kleine und mittlere Einkommen sind geplant, aber von wirtschaftlichem Wachstum abhängig.
Klimaschutz: Trotz seiner Aussage, „kein Grüner“ zu sein, will Merz Klimaschutz ernst nehmen, unter anderem durch die vereinbarten 100 Milliarden Euro für Klimamaßnahmen. Einführung der „Aktivrente“ zur Unterstützung älterer Arbeitnehmer.
Merz positioniert sich als „Transatlantiker“ und will Deutschland als „aktive Mittelmacht“ etablieren, etwa durch Unterstützung der Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern.
Sein Kabinett umfasst erfahrene Politiker wie Boris Pistorius (SPD, Verteidigung), Nina Warken (CDU, Gesundheit) und Karin Prien (CDU, Bildung). Thorsten Frei soll als Kanzleramtschef die Koordination sichern. Das Scheitern im ersten Wahlgang zeigt Misstrauen in der Koalition. Gerüchte über Unzufriedenheit, etwa wegen eines „sozialdemokratischen“ Koalitionsvertrags, kursieren.Die AfD nutzt Merz’ Schwäche aus und fordert Neuwahlen. Merz’ klare Absage an eine Zusammenarbeit wird in ostdeutschen CDU-Kreisverbänden teils kritisch gesehen.
Öffentliche Wahrnehmung: Merz’ Beliebtheit ist gemischt. Während er bei Männern über 45 punktet, hat er Schwierigkeiten bei jungen Frauen. Kontroversen, etwa zur Schuldenbremse oder Migration, schüren Vorwürfe der Wählertäuschung.
Europa erwartet ein starkes Deutschland. Kritik aus Frankreich und von EU-Politikern wie Kaja Kallas unterstreicht den Druck, Stabilität zu liefern.
Friedrich Merz’ Kanzlerschaft beginnt unter schwierigen Vorzeichen. Sein Scheitern im ersten Wahlgang und die knappe Mehrheit im zweiten deuten auf eine fragile Koalition hin. Dennoch hat Merz mit seiner Erfahrung und klaren Agenda die Chance, Deutschland in wirtschaftlich und geopolitisch herausfordernden Zeiten zu stabilisieren. Ob er die Erwartungen erfüllen und die Spaltungen in Koalition und Gesellschaft überwinden kann, wird seine Amtszeit entscheidend prägen. Seine ersten Wochen, mit Fokus auf Grenzkontrollen, Wirtschaftswachstum und Klimaschutz, werden zeigen, ob er als „starker Kanzler“ wahrgenommen wird.
