Titelbild: SVRJ Sommer 1970, Beispielbild, kasaan media, 2025
Der Fall der Isdal-Frau (norwegisch: Isdalskvinnen), einer unbekannten Frau, die am 29. November 1970 tot im Isdalen-Tal nahe Bergen, Norwegen, gefunden wurde, bleibt einer der rätselhaftesten Kriminalfälle der Geschichte.
Besonders interessant ist die Spur, die in das ehemalige Jugoslawien führt, da sie neue Hinweise auf die Identität und Tätigkeit der Frau liefern könnte.
Die Isdal-Frau wurde halb verbrannt und größtenteils entkleidet in einem abgelegenen Tal gefunden. Ihre Identität und die Umstände ihres Todes sind bis heute ungeklärt. Die offizielle Todesursache wurde als Selbstmord durch eine Kombination aus Verbrennungen und einer Überdosis Schlaftabletten, ca. 50 Tabletten im Magen, angegeben, doch viele Indizien deuten auf Mord oder eine vertuschte Operation hin.
Die Frau nutzte mindestens acht falsche Identitäten, u.a. Fenella Lorck, Claudia Tielt, Elisabeth Leenhouwer, sprach mehrere Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch) und gab sich oft als Antiquitätenhändlerin aus. Ihre konsequente Spurenbeseitigung – abgeschnittene Etiketten in der Kleidung, abgekratzte Beschriftungen auf Kosmetika, gefälschte Pässe – führte zu Spekulationen über Spionage, organisierte Kriminalität oder andere geheime Aktivitäten.
Die Verbindung der Isdal-Frau nach Jugoslawien ergibt sich aus mehreren Quellen, insbesondere aus forensischen Analysen und Recherchen zu ihrem möglichen Beruf als Antiquitätenhändlerin.
Moderne forensische Methoden, insbesondere die Sauerstoff- und Strontium-Isotopen-Analyse ihrer Zähne, die 2016 von der Universität Canberra durchgeführt wurde, liefern Hinweise auf ihre Herkunft und Reisen.
Die Analyse zeigte, dass die Frau in ihrer Kindheit und Jugend an Orten lebte, die mit bestimmten geografischen Regionen übereinstimmen, darunter. Die Isotopen-Werte deuten auf eine Region zwischen Užice, Serbien und Sarajevo, Bosnien-Herzegowina, die damals Teil Jugoslawiens waren, reiste. Diese Region war während und nach dem Zweiten Weltkrieg ein Knotenpunkt für Kunst- und Antiquitätenhandel, teilweise illegal.
Dies deutet darauf hin, dass sie möglicherweise in ihrer Jugend zwischen Deutschland und Frankreich hin- und herreiste oder umgezogen ist.
Die Isotopen-Analyse legt nahe, dass die Isdal-Frau in ihrer Kindheit, geschätzt um 1930 geboren, in Jugoslawien oder einer angrenzenden Region gelebt haben könnte, was ihre Verbindung zu dieser Region stärkt.
Die Isdal-Frau gab in mehreren Hotels an, Antiquitätenhändlerin zu sein, und zeigte laut Zeugen z. B. dem italienischen Fotografen Giovanni Trimboli ein profundes Wissen über Porzellan und Kunstgegenstände. Diese Angabe könnte ein Schlüssel zur Spur nach Jugoslawien sein. Eine Zwischenstation ist in diesem Zusammenhang Lothringen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Jugoslawien unter Tito ein geopolitisch wichtiger Akteur, der zwischen Ost und West vermittelte. Der illegale Kunsthandel florierte, da viele Kunstwerke, die während des Krieges von den Nazis geplündert worden waren, über Jugoslawien in den Westen gelangten. Wertvolle Stücke wie Gemälde, Schmuck und Antiquitäten wurden oft durch Kuriere über Jugoslawien transportiert. Erst 1973 wurde in Ostberlin die KuA GmbH, Kunst und Antiquitäten GmbH, gegründet, die solche Aktivitäten bis in die 1980er Jahre fortsetzte.
Eine spekuliertere Spur führt zu Vidkun Quisling, dem norwegischen Nazi-Kollaborateur, dessen Kunstsammlung nach dem Krieg teilweise in den Osten, einschließlich Jugoslawien, gelangte. Es wird vermutet, dass die Isdal-Frau möglicherweise in den Handel mit solchen Kunstwerken involviert war, was ihre Reisen und falschen Identitäten erklären könnte.
Ein norwegischer Kunstmaler, der in Norwegen und Südfrankreich lebte, wurde in Verbindung mit der Isdal-Frau gebracht. Kjell Varvin könnte in den Kunsthandel verwickelt gewesen sein, und seine Verbindungen könnten ebenfalls nach Jugoslawien führen.
Giovanni Trimboli, ein italienischer Fotograf mit mutmaßlichen Verbindungen zur Mafia und Schmuggelaktivitäten, traf die Isdal-Frau und bestätigte, dass sie sich als Antiquitätenhändlerin vorstellte und aus Südafrika stammte ,was wahrscheinlich eine weitere falsche Angabe war. Trimboli berichtete, dass sie sich hervorragend mit Porzellan auskannte, was auf eine professionelle Tätigkeit im Kunsthandel hinweist. Da Jugoslawien in den 1960er und 1970er Jahren ein Drehkreuz für den Schmuggel von Kunstgegenständen war, könnte die Isdal-Frau über diese Netzwerke aktiv gewesen sein.
Die Hypothese, dass die Isdal-Frau eine Spionin war, wird durch die geopolitische Rolle Jugoslawiens im Kalten Krieg gestützt:
Jugoslawien war ein blockfreier Staat, der Kontakte sowohl zum Westen als auch zum Osten pflegte. Dies machte das Land zu einem idealen Treffpunkt für Agenten verschiedener Geheimdienste.
Die Isdal-Frau reiste mit mehreren Pässen, darunter möglicherweise ein französischer Pass, und ihre Reiseroute (Paris, Oslo, Bergen, Stavanger, Trondheim) deutet auf eine zielgerichtete Mission hin. Es wird spekuliert, dass sie Informationen oder Gegenstände,z. B. Kunstwerke, zwischen Jugoslawien und Westeuropa transportierte.
Norwegen selbst war während des Kalten Krieges strategisch wichtig, da es an die Sowjetunion grenzte und geheime Projekte wie Abwehrraketen und die Lieferung von schwerem Wasser an Israel entwickelte.
Die Isdal-Frau könnte in solche Aktivitäten verwickelt gewesen sein, wobei Jugoslawien als Zwischenstation diente.
Aber alles weist, auch der in Bergen aufgefundene Koffer, auf den illegalen Kunsthandel hin.
Ein weiterer Hinweis auf eine Verbindung nach Jugoslawien ist die unvollständige Dokumentation des Falls. Es gelangten zahlreiche Unterlagen der norwegischen Polizei nicht ins Staatsarchiv, was auf eine mögliche Vertuschung durch den norwegischen Geheimdienst hinweist. Diese Unterlagen könnten Informationen über die Tätigkeiten der Isdal-Frau in Jugoslawien enthalten, insbesondere wenn sie mit dem Kunsthandel oder Spionage zu tun hatten. Der Grund für die Zurückhaltung könnte sein, dass die Rückgabe von Kunstwerken an rechtmäßige Eigentümer kompliziert wäre oder dass sensible Informationen über Geheimdienstoperationen enthüllt würden.
Neben der Jugoslawien-Spur gibt es weitere Theorien, die den Fall ergänzen.
2023 berichtete die Neue Zürcher Zeitung, dass die Isdal-Frau möglicherweise mit dem Schweizer Bankier François Genoud in Verbindung stand, der Verbindungen zu terroristischen Organisationen hatte. Jugoslawien könnte als Transitland für solche Aktivitäten gedient haben.
Isotopen-Analysen und Recherchen,z. B. in einem Kinderheim in der Pfalz, deuten darauf hin, dass die Isdal-Frau in Nürnberg oder Südwestdeutschland geboren wurde. Ihre Reisen nach Jugoslawien könnten später im Rahmen ihrer Tätigkeit erfolgt sein.
Die Spur nach Jugoslawien ist eine der vielversprechendsten, da sie mehrere Aspekte des Falls verbindet. Die Isotopen-Analyse, den Antiquitätenhandel, die geopolitische Rolle Jugoslawiens und die Möglichkeit von Spionage. Dennoch bleiben viele Fragen offen:
Es gibt keine direkten Dokumente, die die Isdal-Frau mit Jugoslawien verknüpfen, nur Indizien wie die Isotopen-Analyse und Spekulationen über den Kunsthandel.Die unvollständigen Polizeiunterlagen deuten darauf hin, dass Informationen absichtlich zurückgehalten wurden, möglicherweise um internationale Verwicklungen zu vermeiden.
Die Isdal-Frau könnte mehrere Rollen gespielt haben – Antiquitätenhändlerin, Spionin, Kurierin oder Prostituierte –, und Jugoslawien könnte in mehreren dieser Szenarien eine Rolle gespielt haben.
Die Spur der Isdal-Frau nach Jugoslawien führt in ein komplexes Netz aus Kunsthandel, Schmuggel, Spionage und geopolitischen Intrigen des Kalten Krieges. Die Isotopen-Analyse deutet auf eine Verbindung zu Südosteuropa hin, und ihre angebliche Tätigkeit als Antiquitätenhändlerin passt zur Rolle Jugoslawiens als Drehkreuz für den illegalen Kunsthandel. Dennoch bleibt der Fall ungelöst, und die Jugoslawien-Spur ist nur ein Teil des Puzzles.