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Der Europäische Wels (Silurus glanis), auch Waller genannt, ist eine invasive Fischart im Gardasee, die in den letzten Jahrzehnten erhebliche ökologische und wirtschaftliche Probleme verursacht hat.
Der Wels ist in vielen Flusssystemen Mittel-, Ost- und Südosteuropas heimisch, jedoch nicht südlich der Alpen, weshalb das Ökosystem des Gardasees nicht auf ihn eingestellt ist. Er wurde vermutlich in den 1980er Jahren von Anglern oder durch menschliches Versagen in den Gardasee eingeschleppt, möglicherweise absichtlich, da der Wels als Sportfisch beliebt ist und als Speisefisch geschätzt wird. Der erste dokumentierte Fang eines Welses im Gardasee erfolgte 1988 am Südufer bei Peschiera del Garda, und 1995 wurde ein Exemplar am Nordufer an der Mündung des Flusses Sarca gefangen. Seitdem hat sich die Population rasant ausgebreitet, insbesondere im südlichen Teil des Sees zwischen Sirmione und Lazise, wo flache Uferzonen, klares Wasser und warme Temperaturen ideale Lebens- und Fortpflanzungsbedingungen bieten.
Welse sind die größten Süßwasserfische Europas und können beeindruckende Größen erreichen bis zu drei Meter Länge und über 200 Kilogramm Gewicht, wobei sie bis zu 100 Jahre alt werden können. Sie sind wärmeliebend und profitieren von steigenden Wassertemperaturen aufgrund des Klimawandels, was ihre Vermehrung und ihr Wachstum fördert. Als opportunistische Räuber fressen sie nahezu alles, was ihnen begegnet. Fische (wie Barsche, Sardinen, Karpfen, Hechte), Fischeier, Krebstiere, Amphibien, Insekten, Wasservögel (z. B. Enten, Kormorane) und sogar kleine Säugetiere wie Ratten oder Mäuse. Es gibt Berichte, dass Welse in anderen Regionen, wie am Iseosee oder in Mantua, ganze Seen leer gefressen haben, was auch am Gardasee befürchtet wird.
Welse sind Bodenfische, die sich oft im Schlamm oder in tiefen Gewässern verstecken und vor allem nachts oder in der Dämmerung jagen. Sie nutzen ihre ausgezeichneten Sinne – wie Tastrezeptoren an den Barteln, ein gutes Gehör und einen empfindlichen Geruchssinn – um Beute zu lokalisieren, anstatt sich auf ihre Augen zu verlassen. Kannibalismus ist unter Welsen keine Seltenheit, was ihre Anpassungsfähigkeit und Gefräßigkeit unterstreicht.
Die Welse bedrohen das ökologische Gleichgewicht des Gardasees erheblich. Sie fressen die Laichplätze anderer Fischarten, wie Barsche oder Coregonen, was die Bestände heimischer Arten wie Schleien, Döbel, Sardinen, Felchen und Karpfen reduziert.
Filippo Gavazzoni, Vizepräsident der Comunità del Garda, betonte, dass der Wels die Artenvielfalt des Sees untergräbt. In anderen Gewässern, wie dem Iseosee, hat der Wels bereits die Fischbestände stark dezimiert, und Experten befürchten, dass der Gardasee ein ähnliches Schicksal erleiden könnte.
Neben den Welsen tragen auch andere Faktoren wie Abwassereinleitungen und illegale Fischerei zur Gefährdung des Ökosystems bei, doch die Welse verschärfen das Problem durch ihre aggressive Nahrungskonkurrenz. Besonders alarmierend ist, dass die Welse keine natürlichen Feinde im Gardasee haben und sich unkontrolliert vermehren können.
Der Gardasee ist das beliebteste Urlaubsziel Italiens, das jährlich Hunderttausende Touristen anzieht, unter anderem wegen seiner Bademöglichkeiten, Wassersportangebote und malerischen Landschaften. Die wachsende Wels-Population könnte jedoch den Tourismus beeinträchtigen. Berichte aus anderen Regionen, wie Mantua, zeigen, dass Touristen Gewässer meiden, wenn Welse sie dominieren, da sie das Baden als unsicher empfinden.
Obwohl Welse in der Regel keine Gefahr für Menschen darstellen – da ihre Zähne klein und stumpf sind und sie Menschen gegenüber eher apathisch reagieren – gibt es vereinzelte Berichte über Verteidigungsattacken, wenn Welse ihre Nester bedroht fühlen. Gerüchte über Angriffe auf kleine Hunde, wie der berüchtigte Fall eines „Killerwelses“ in Mönchengladbach, der angeblich einen Dackel verschlungen haben soll, sind jedoch wissenschaftlich nicht belegt und gelten als unwahrscheinlich.
Dennoch flößen die bis zu drei Meter langen „Monsterfische“ vielen Badegästen Respekt ein, was das Image des Gardasees als sicheres Urlaubsziel beeinträchtigen könnte.
Die wachsende Bedrohung hat lokale Fischer und Taucher dazu veranlasst, Maßnahmen zu ergreifen. Speerfischer wie Marco Brognoli und Stefano Govi, die ohne Sauerstoffgeräte tauchen, jagen die Welse mit Harpunen, eine gefährliche und körperlich anspruchsvolle Methode.
Brognoli berichtet, dass er vor fünf Jahren seinen ersten Wels im Gardasee gesehen habe, während er heute regelmäßig Exemplare über zwei Meter fängt. In einer Aktion fingen er und seine Kollegen 14 Welse auf einer Strecke von nur 200 Metern. Insgesamt meldete er 2024 über 50 gefangene Welse mit einem Durchschnittsgewicht von 25 Kilogramm, der größte wog 80 Kilogramm.
Trotz dieser Bemühungen wird bezweifelt, dass das Problem allein durch Speerfischen gelöst werden kann, da die Welse sich zu schnell vermehren. Brognoli fordert daher politische Maßnahmen, wie die Einrichtung von Sammel- und Entsorgungsstellen für gefangene Welse, ähnlich wie bei der Regulierung von Wildschweinen. Fischer könnten dafür entlohnt werden, um Anreize zu schaffen. In Italien ist es zudem verboten, gefangene Welse wieder freizulassen, da dies hohe Geldstrafen nach sich zieht.
Die Jagd auf Welse ist schwierig, da die Fische in Tiefen von bis zu 25 Metern oder mehr vorkommen und nach einem Harpunenschuss heftig reagieren können. Ein getroffener Wels kann Taucher hinter sich herziehen, was gefährlich ist, insbesondere bei großen Exemplaren. Zudem zerreißen Welse oft die Netze von Berufsfischern, was zusätzliche Kosten verursacht.
In einigen osteuropäischen Ländern gilt der Wels als Delikatesse, und gefangene Exemplare werden oft weiterverarbeitet. In Rumänien wird Welsfleisch beispielsweise für etwa 15 Euro pro Kilogramm verkauft. Am Gardasee gibt es jedoch keine starke Tradition, Welse kulinarisch zu nutzen, was die Entsorgung der gefangenen Fische erschwert
Die Welse im Gardasee sind ein komplexes Problem, das ökologische, wirtschaftliche und sicherheitstechnische Aspekte umfasst. Ihre rasante Vermehrung, begünstigt durch den Klimawandel und ideale Lebensbedingungen, bedroht die heimische Fauna und könnte den Tourismus beeinträchtigen. Obwohl Taucher und Fischer versuchen, die Population zu kontrollieren, reichen diese Maßnahmen vermutlich nicht aus, um das ökologische Gleichgewicht langfristig wiederherzustellen. Experten und lokale Behörden fordern daher strukturierte Strategien, um die invasive Art einzudämmen, bevor der Gardasee ähnliche Schäden wie andere Seen erleidet.
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