Die Ukraine gilt laut Transparency International als eines der korruptesten Länder Europas, und die Bekämpfung von Korruption ist eine zentrale Voraussetzung für den angestrebten EU-Beitritt. Nach den Maidan-Protesten von 2014 waren mit Unterstützung der EU und der USA unabhängige Antikorruptionsbehörden eingerichtet worden, um die weitverbreitete Bestechlichkeit in Verwaltung und Politik einzudämmen.
Selenskyj verteidigte die Unterzeichnung des Gesetzes in einer Videobotschaft und argumentierte, dass die Antikorruptionsbehörden von „russischem Einfluss“ befreit werden müssten. Er betonte, dass beide Institutionen weiterarbeiten würden, jedoch unter der Aufsicht der Generalstaatsanwaltschaft, die entschlossen sei, Strafen durchzusetzen. Kritiker wie Transparency International und die EU-Kommission, vertreten durch Erweiterungskommissarin Marta Kos, sehen darin jedoch einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Behörden und einen Verstoß gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, die für die EU-Beitrittsverhandlungen von zentraler Bedeutung sind. Kos bezeichnete das Gesetz als „ernsthaften Rückschritt“ und wies darauf hin, dass die EU erhebliche finanzielle Mittel bereitstellt, die an Fortschritte in den Bereichen Transparenz und Justizreform geknüpft sind.
Die Proteste in Kiew spiegeln die wachsende Sorge in der ukrainischen Gesellschaft wider, dass das Land in Richtung Autokratie abgleitet.
Die Entscheidung fällt in eine Zeit, in der Selenskyj unter Druck steht, sowohl den Krieg gegen Russland zu führen als auch innenpolitische Reformen voranzutreiben. Sein Umgang mit der Korruptionsbekämpfung wird international genau beobachtet, insbesondere da die EU und die G7-Staaten die Ukraine finanziell unterstützen und dabei auf Transparenz und demokratische Standards achten. Kritiker wie die ukrainische Zivilgesellschaft und internationale Beobachter befürchten, dass das Gesetz nicht nur die Korruptionsbekämpfung unterminiert, sondern auch das Vertrauen in die ukrainische Regierung untergräbt.
