Dettivoss, kasaan media, 2025
Der Dettifoss, im Nordosten Islands gelegen, gilt als einer der mächtigsten und beeindruckendsten Wasserfälle Europas, dessen donnernde Wassermassen eine unvergleichliche Naturgewalt offenbaren.
Er befindet sich im Verlauf des Gletscherflusses Jökulsá á Fjöllum, der seinen Ursprung im Nordteil des gewaltigen Vatnajökull-Gletschers hat, dem größten Gletscher Islands. Dieser Fluss, gespeist durch das Schmelzwasser des Gletschers, bahnt sich seinen Weg durch die raue Vulkanlandschaft des isländischen Hochlands, bevor er etwa 30 Kilometer vor seiner Mündung in den Arktischen Ozean in die tiefe Schlucht Jökulsárgljúfur stürzt. Hier, in dieser dramatischen Schlucht, entfaltet der Dettifoss seine volle Pracht, indem er über eine Breite von etwa 100 Metern und eine Höhe von 44 Metern in die Tiefe rauscht.
Die graubraunen Wassermassen, durchsetzt mit Sedimenten des Gletschers, erzeugen ein ohrenbetäubendes Tosen und eine Gischt, die oft von Regenbogen durchzogen wird, wenn die Sonne in einem günstigen Winkel steht. Die durchschnittliche Wasserführung des Flusses beträgt etwa 193 Kubikmeter pro Sekunde, kann jedoch in den Sommermonaten durch verstärktes Schmelzwasser erheblich ansteigen, was die rohe Kraft des Wasserfalls noch verstärkt.
Der Dettifoss liegt eingebettet in eine Landschaft, die durch vulkanische Aktivität und Gletscherbewegungen über Jahrtausende geformt wurde. Unweit des Wasserfalls, etwa einen Kilometer flussaufwärts, befindet sich der kleinere Selfoss, ein Wasserfall mit einer Höhe von etwa 10 Metern, der mit seiner gestuften Struktur einen sanfteren Kontrast zum mächtigen Dettifoss bildet. Weiter flussabwärts, etwa zwei Kilometer entfernt, folgt der Hafragilsfoss, der mit einer Höhe von 27 Metern ebenfalls ein beeindruckendes Naturschauspiel bietet. Zusammen bilden diese drei Wasserfälle eine eindrucksvolle Kette entlang der Jökulsá á Fjöllum, die die geologische Geschichte Islands widerspiegelt – eine Geschichte von Feuer und Eis, geprägt durch die Kollision von Vulkanismus und Gletscherdynamik. Besonders markant ist die Entstehung des Flusses selbst: Die Jökulsá á Fjöllum entspringt in den Eishöhlen des subglazialen Vulkans Kverkfjöll, wo heiße vulkanische Quellen auf das kalte Gletschereis treffen, ein Zusammenspiel, das die einzigartige Landschaft Islands prägt.
Der Wasserfall ist nicht nur ein Naturphänomen, sondern auch ein kulturelles Wahrzeichen, das in der isländischen Kunst und Musik verewigt wurde. Der Komponist Jón Leifs ließ sich von der überwältigenden Kraft des Dettifoss inspirieren und schuf das musikalische Werk Dettifoss op. 57, das die rohe Energie und das Dröhnen des Wasserfalls in Klang umsetzt. Diese künstlerische Verbindung unterstreicht die Bedeutung des Dettifoss für die Identität Islands, einem Land, dessen Bewohner eine tiefe Verbundenheit mit ihrer wilden und ungezähmten Natur pflegen. Der Wasserfall liegt zudem entlang der sogenannten Demantshringurinn, der Diamantenen Rundfahrt, einer beliebten Touristenroute, die Besucher durch den Nordosten Islands führt, vorbei an malerischen Orten wie Húsavík und dem See Mývatn. Diese Route zieht jährlich zahlreiche Reisende an, die die raue Schönheit der Region erleben möchten, von vulkanischen Kraterlandschaften bis hin zu geothermalen Quellen.
Der Zugang zum Dettifoss ist sowohl eine Herausforderung als auch ein Abenteuer, das die Abgelegenheit dieser Region unterstreicht. Zwei Hauptstraßen führen zum Wasserfall.
Die Straße 862 auf der Westseite bietet einen asphaltierten Zugang und ist für herkömmliche Fahrzeuge geeignet, während die Straße 864 auf der Ostseite unbefestigt ist und eher für geländegängige Fahrzeuge empfohlen wird. Beide Zugänge ermöglichen unterschiedliche Perspektiven auf den Wasserfall, wobei die Westseite besser erschlossen ist und über Parkplätze sowie Wanderwege verfügt, die Besucher nahe an den Wasserfall heranführen. Die Ostseite hingegen bietet eine ursprünglichere, weniger frequentierte Aussicht, die jedoch mit Vorsicht zu genießen ist, da die Wege oft rutschig und steinig sind. Besucher werden oft von der schieren Wucht des Wassers überwältigt, das in die Schlucht stürzt, und von der rauen, nahezu außerirdischen Landschaft, die den Wasserfall umgibt. Die Region ist zudem Teil des Nationalparks Vatnajökull, der nicht nur den Wasserfall, sondern auch die umliegende Schlucht Jökulsárgljúfur schützt, ein Gebiet, das für seine geologische Vielfalt und seine Bedeutung für die Biodiversität bekannt ist.
Die kulturelle und touristische Bedeutung des Dettifoss steht im Einklang mit der einzigartigen Geschichte Islands, eines Landes, das vor gut tausend Jahren von nordischen Wikingern besiedelt wurde. Diese Siedler, die ab etwa 870 unter der Führung von Ingólfur Arnarson nach Island kamen, brachten nicht nur ihre Kultur, sondern auch eine tiefe Wertschätzung für die Natur mit, die in der Landschaft rund um den Dettifoss noch heute spürbar ist. Archäologische Funde, wie die Vulkanascheschicht Landnám tephra, datieren die Besiedlung auf die 870er Jahre, und die Nähe des Wasserfalls zu diesen historischen Stätten verknüpft die Naturgewalt mit der menschlichen Geschichte der Insel. Die Abgelegenheit des Dettifoss, fernab der dichter besiedelten Küstenregionen, spiegelt zudem die geringe Bevölkerungsdichte Islands wider, das mit etwa 3,88 Einwohnern pro Quadratkilometer das am dünnsten besiedelte Land Europas ist.
Ein Besuch des Dettifoss ist nicht nur eine Begegnung mit der unbändigen Kraft der Natur, sondern auch eine Reise in die geologische und kulturelle Seele Islands. Die raue, vulkanische Landschaft, die tosenden Wassermassen und die Abgelegenheit des Ortes machen den Wasserfall zu einem Symbol für die unberührte Wildnis, die Island so einzigartig macht. Wer den Dettifoss erlebt, spürt die rohe Energie eines Landes, das auf dem Mittelatlantischen Rücken zwischen zwei Kontinentalplatten liegt und dessen Landschaft von Feuer, Eis und der unermüdlichen Kraft des Wassers geformt wird. Es ist ein Ort, der Besucher dazu einlädt, die Vergänglichkeit menschlicher Errungenschaften angesichts der Natur zu reflektieren und gleichzeitig die Schönheit und Kraft einer Insel zu bewundern, die trotz ihrer rauen Bedingungen eine tiefe Faszination ausübt.
