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In Deutschland hat sich in den letzten Jahren ein besorgniserregendes Phänomen etabliert. Die Diebstähle von Altspeisefetten und gebrauchtem Frittieröl aus Restaurants und Fast-Food-Ketten nehmen zu und werden zunehmend von organisierten kriminellen Banden durchgeführt, die dieses scheinbar unscheinbare Gut als lukratives Ziel entdeckt haben.
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) meldet, dass seit 2022 ein massiver Anstieg der Fälle beobachtet wird, allein im Jahr 2023 wurden bundesweit über 7.000 Strafanzeigen erstattet, und die Tendenz setzt sich 2024 und 2025 fort, mit Schätzungen zu einem Millionenschaden für die Branche.
Diese Diebstähle sind nicht das Werk isolierter Kleinkrimineller, sondern zeugen von einer professionellen, arbeitsteiligen Organisation, bei der Tätergruppen tagsüber und nachts gezielt die Hinterhöfe von Gastronomiebetrieben in verschiedenen Bundesländern ansteuern, um das Altfett aus speziellen Sammelbehältern zu entwenden. Oft füllen sie es in leere Tonnen oder Fässer um, um Spuren zu verwischen, oder nehmen die gesamten Container mit, was nicht nur den direkten Verlust des Materials bedeutet, sondern auch logistische Albträume für die Entsorgungsunternehmen verursacht, die auf pünktliche Abholungen und Weiterverarbeitung angewiesen sind.
Der wirtschaftliche Hintergrund macht diese Kriminalität besonders attraktiv für die Banden.
Gebrauchtes Speisefett und Öle, die in der Küche von Imbissen, Fast-Food-Restaurants oder Großküchen anfallen, werden normalerweise von zertifizierten Entsorgern gesammelt und zu Biodiesel oder anderen erneuerbaren Energieträgern verarbeitet, wofür bis zu 900 Euro pro Tonne bezahlt werden. Diese Preise haben durch den Boom der Biokraftstoffe und steigende Nachfrage nach nachhaltigen Rohstoffen zugenommen, was die Diebe in ihrer Kalkulation bestärkt. Die kriminellen Gruppen, die oft aus osteuropäischen oder lokalen Netzwerken bestehen, verkaufen das gestohlene Gut illegal an Schattenmärkte, wo es ohne Qualitätskontrollen oder Steuerabführungen weiterverarbeitet wird, was nicht nur den legalen Entsorgern Umsätze raubt, sondern auch die Umwelt belastet, da verunreinigtes Fett in unkontrollierten Prozessen zu schädlichen Emissionen führt. Ein Entsorger aus der Pfalz beschreibt die Situation als „existenziell bedrohlich“: In seinem Unternehmen ereignen sich täglich zwei bis drei nachweisbare Diebstähle pro Tour, was allein in diesem Jahr zu einem Schaden von rund 40.000 Euro führt, und ähnliche Berichte kommen aus dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo Überwachungskameras wiederholt Gruppen mit Kleinwagen oder Transportern festhalten, die professionell vorgehen und Fluchtwege planen.
Besonders alarmierend ist die mangelnde Strafverfolgung, die den Tätern ein Gefühl der Straffreiheit vermittelt. Trotz der Flut an Anzeigen – viele Unternehmen haben Hunderte erstattet – enden die meisten Verfahren frühzeitig, oft mit dem Verweis auf „Bagatelldelikte“, da der materielle Schaden pro Einzelfall nicht immer hoch genug scheint, um Ressourcen zu mobilisieren.
Rechtskräftige Urteile sind rar, und selbst wenn Täter in flagranti ertappt werden, wie kürzlich in Hockenheim bei der Festnahme zweier Verdächtiger mit zwölf Fässern Beute, fehlen oft die Beweise für die Hintermänner. Ein anonymer Informant aus der Entsorgungsbranche, der Kontakte zu Mitgliedern solcher Banden hatte, betont, dass diese Gruppen keine Furcht vor deutschen Behörden zeigen, da sie die Lücken im System ausnutzen.
Sie operieren arbeitsteilig, mit Spähern, Dieben und Abnehmern, die über verschlüsselte Apps kommunizieren, und nutzen gefälschte Papiere oder Strohmänner, um das Fett an legale Aufkäufer zu schleusen. Das Innenministerium von Rheinland-Pfalz räumt ein, dass Hinweise auf organisierte Kriminalität vorliegen, betont aber, dass viele Fälle noch als isolierte Taten gewertet werden, was die Koordination zwischen Bundesländern erschwert.
Die Auswirkungen reichen weit über den unmittelbaren finanziellen Verlust hinaus und bedrohen die gesamte Wertschöpfungskette der Kreislaufwirtschaft. Entsorgungsunternehmen, die in teure Sammelfahrzeuge und Verträge mit Restaurants investiert haben, sehen sich gezwungen, Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken – von GPS-Trackern an Tonnen über Alarmanlagen bis hin zu nächtlichen Patrouillen –, was die Betriebskosten in die Höhe treibt und letztlich auf Verbraucher abgewälzt wird.
Der BDE fordert daher die Einrichtung spezialisierter Schwerpunktstaatsanwaltschaften, ähnlich wie bei anderen Formen organisierter Kriminalität wie Drogenhandel oder Cyberdelikten, um die Banden systematisch zu zerschlagen. Gleichzeitig plädiert der Verband für eine bessere Sensibilisierung der Justiz, da diese Diebstähle Teil eines größeren Musters transnationaler Ressourcenraub sind, das mit Geldwäsche und Umweltkriminalität verknüpft ist. Insgesamt unterstreicht der Anstieg der Altfett-Diebstähle, wie sich die organisierte Kriminalität in Deutschland an neue Märkte anpasst.
Weg von klassischen Zielen wie Metallen oder Elektronik hin zu „grünen“ Rohstoffen, die durch den Energiewandel an Wert gewinnen. Ohne entschlossene Gegenmaßnahmen droht, dass diese Banden nicht nur die Entsorgungsbranche, sondern auch die Nachhaltigkeitsziele Deutschlands weiter untergraben, indem sie legale Kreisläufe sabotieren und illegale Parallelstrukturen stärken. Es bedarf einer breiteren gesellschaftlichen Debatte, um diese unterschätzte Form der Kriminalität in den Fokus zu rücken und effektive Prävention zu etablieren, bevor der Schaden irreversibel wird.
