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Todesstrafe

Geoffrey West mit Stickstoff hingerichtet

Titelbild: West Department of Corrections Alabama

Der 25.9.2025 in die Annalen der Justizgeschichte Alabamas als weiteres Kapitel der umstrittenen Todesstrafe eingehen,   der Bundesstaat vollzog die Hinrichtung von Geoffrey Todd West, einem 50-jährigen Mann, der vor nunmehr 28 Jahren in einem scheinbar banalen Raubüberfall eine unvorstellbare Tragödie ausgelöst hatte. West, der zum Zeitpunkt der Tat gerade einmal 21 Jahre alt gewesen war, war in den frühen Morgenstunden des 19. März 1997 in eine Tankstelle in Etowah County eingedrungen, hatte die 33-jährige Kassiererin Margaret Parrish Berry mit einer Waffe bedroht und sie schließlich, als sie bereits am Boden lag, aus nächster Nähe in den Hinterkopf geschossen. Die Beute dieses grausamen Verbrechens belief sich auf lächerliche 250 Dollar, eine Summe, die im Kontrast zur Zerstörung eines ganzen Lebens stand. Margaret Berry, eine alleinerziehende Mutter, die einfach nur ihrer Arbeit nachging, kehrte an jenem Tag nie mehr nach Hause – ihr Sohn William Berry, damals erst 11 Jahre alt, wurde zu einem Waisenkind, dessen Welt in Trümmern lag. Der Mord, der als kaltblütig und vorsätzlich eingestuft wurde, löste eine Welle des Schmerzes aus, die Jahrzehnte andauern sollte, und mündete in einem Prozess, der Wests Schicksal besiegelte.

Der Weg zur Verurteilung war geprägt von der Unerbittlichkeit des alabamischen Rechtssystems. Im Juni 1999, mehr als zwei Jahre nach der Tat, sprach eine Jury West des Kapitalmordes schuldig. In der Strafphase, in der es um Leben oder Tod ging, legten die Verteidiger kaum überzeugende mildernde Umstände dar – sie beriefen sich lediglich auf Wests junge Alter, ohne tiefergehende Einblicke in sein schwieriges Leben, seine familiären Belastungen oder mögliche psychische Vorbelastungen zu geben.

Die Jury beriet sich gerade einmal 40 Minuten, bevor sie mit knapper Mehrheit – zehn zu zwei – den Todesspruch empfahl. In fast jedem anderen Bundesstaat hätte diese Nicht-Einstimmigkeit die Hinrichtung verhindert, doch Alabama, eines der letzten Bollwerke der Todesstrafe in den USA, folgte dem Urteil des Richters William Cardwell, der Wests Jugend als tragisch, aber den Mord als „klar absichtlich und hingerichtet“ bezeichnete. Wests damalige Freundin, die an der Planung beteiligt gewesen war, kam mit einem Deal von 35 Jahren Haft davon, was die Ungleichheit im Strafmaß unterstrich. Seitdem schmachtete West in der Todeszelle des William C. Holman Correctional Facility in Atmore, wo er über 28 Jahre auf das Ende wartete, gezeichnet von Appellen, die letztlich scheiterten.

Doch die Geschichte der Hinrichtung Geoffrey Wests ist mehr als nur ein trockener Bericht über ein Verbrechen und seine Konsequenzen; sie ist ein dramatisches Zeugnis für die Komplexität von Vergebung, Rache und der Rolle der Opferfamilie in einem System, das Gerechtigkeit oft mit Vergeltung verwechselt. William Berry, der überlebende Sohn, der den Verlust seiner Mutter nie verwunden hat, entwickelte in den Jahren eine Haltung, die selbst für die engsten Beobachter schockierend war: Er wollte nicht, dass West starb. Getrieben von seinem christlichen Glauben und einer tiefen Sehnsucht nach Heilung, begann Berry in den Wochen vor der Hinrichtung einen verzweifelten Kreuzzug gegen den eigenen Schmerz. Er schrieb Briefe an West, in denen er von seiner Bereitschaft zur Vergebung sprach, und erhielt Antworten, die eine fragile Brücke des Verständnisses schlugen. „Ich glaube, es gibt ein Ende zu dieser Geschichte, in dem Mr. West und ich Trost in einander und in der heilenden Kraft der Vergebung finden“, formulierte Berry in einem Gastbeitrag für die Montgomery Advertiser. Er reiste mit seiner Frau nach Montgomery, dem Sitz der alabamaischen Regierung, und lieferte eine Petition an Gouverneurin Kay Ivey ab, in der er flehte: „Ich will nicht, dass dieser Mann stirbt.“ Berry trat vor die Medien, sprach bei einer Kundgebung auf den Stufen des State Capitol und läutete symbolisch eine Glocke gegen die Todesstrafe – ein Akt, der ihn weit aus seiner Komfortzone führte, da er Journalisten stets misstrauisch gegenübergestanden hatte.

Seine Appelle stießen auf taube Ohren. Die Staatsanwaltschaft und Gouverneurin Ivey, die den Vollzug der Hinrichtung am 25. September 2025 um 18 Uhr genehmigte, beriefen sich auf das Gesetz Alabamas, das für solche „gravierendsten Formen des Mordes“ den Tod vorsieht.

In einem Brief an Berry vom 11. September erklärte Ivey: „Vor fast 30 Jahren ging Margaret Parrish Berry zur Arbeit in dem Convenience Store, kam aber nie nach Hause zurück. Geoffrey West ging mit der Absicht hinein, zu rauben und zu töten, und schoss Ms. Berry feige in den Hinterkopf.“ Sie würdigte Berrys Glauben, betonte jedoch ihre Pflicht, das Gesetz durchzusetzen. Attorney General Steve Marshall feierte nach dem Vollzug die Hinrichtung als Akt der Gerechtigkeit: „Alabama steht fest zu unserem Engagement, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, weil das die Würde jedes Opfers ehrt. Gerechtigkeit ist, wie wir den Frieden in den Gemeinschaften wiederherstellen, die sie zurücklassen.“ Berry hingegen sah darin bloße Rache: „Das bringt meine Mutter nicht zurück. Indem Alabama Mr. West hinrichtet, spielt der Staat Gott.“ Sein Wunsch, West persönlich zu treffen – eine Begegnung, die vielleicht den letzten Funken Menschlichkeit in diesem Albtraum entzündet hätte –, wurde von den Behörden abgelehnt.

Der Vollzug selbst war ein weiteres Kapitel in Alabamas kontroversem Experiment mit der Stickstoff-Hypoxie, einer Methode, die der Staat seit 2024 als Alternative zur umstrittenen tödlichen Injektion einsetzt und die nun zum sechsten Mal angewandt wurde. Um 18 Uhr wurde West in den Hinrichtungsraum des Holman-Gefängnisses geführt, wo eine Maske über Mund und Nase gesetzt wurde, durch die reiner Stickstoffgas strömte und den Sauerstoff verdrängte. Augenzeugen aus den Medien berichteten von unruhigen Bewegungen Wests in den ersten Minuten – Zuckungen und Strampeln, die der Commissioner des Gefängnisses John Hamm als „größtenteils unwillkürlich“ und „protokollgemäß“ abtat. Sein spiritueller Berater betete an seiner Seite, während West, der im Todesraum selbst schwieg, eine vorbereitete Erklärung durch seinen Anwalt nach außen trug. Darin entschuldigte er sich bei der Familie Berry: „Ich bin im Frieden, weil ich weiß, wohin ich gehe, und freue mich darauf, Mrs. Berry zu sehen, wenn ich dort ankomme.“ Um 18:22 Uhr wurde er für tot erklärt, nur 22 Minuten nach Beginn – eine Dauer, die die Effizienz der Methode unterstreichen sollte, aber Kritiker weiter an ihrer Humanität zweifeln ließ. Es war die vierte Hinrichtung Alabamas in diesem Jahr, die dritte per Stickstoff, und fiel mit einer parallelen Vollstreckung in Texas zusammen, die die USA an diesem Tag zu einem düsteren Doppelereignis machte.

Die Hinrichtung Geoffrey Wests wirft tiefe Fragen auf über die Seele eines Systems, das Vergebung ignoriert und den Kreislauf des Todes perpetuiert. William Berrys Kampagne, getragen von einem Glauben, der Rache in Erlösung verwandelt, blieb letztlich ein Schrei in der Wüste, doch sie beleuchtet die menschliche Dimension hinter den Paragraphen. West, der Junge aus schwierigen Verhältnissen, der zu einem Mörder wurde, und Berry, der Sohn, der aus Trauer Weisheit schöpfte – ihre Geschichten verweben sich zu einem Narrativ, das die Kälte der Justiz mit der Wärme der Vergebung kontrastiert. In Alabama, wo die Todesstrafe weiterhin als Bollwerk gegen das Böse gilt, bleibt der Fall ein Mahnmal. Gerechtigkeit mag siegen, doch Heilung? Die sucht man in den Schatten der Gaskammer vergebens.

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