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Interpol hat in einer aktuellen Warnung vom 30. Juni 2025 auf eine alarmierende Zunahme des Menschenhandels im Zusammenhang mit professionell organisierten Online-Betrugszentren hingewiesen, die mittlerweile als globale Krise bezeichnet wird. Diese Zentren, die zunächst vor allem in Südostasien verbreitet waren, haben sich in den vergangenen Jahren auch in Regionen wie Westafrika, Zentralamerika und dem Nahen Osten ausgebreitet. Hunderttausende Menschen aus 66 Ländern und allen Kontinenten sind laut Interpol betroffen, wobei die Opfer oft unter grausamen Bedingungen zur Arbeit gezwungen werden. Diese Entwicklung zeigt, wie eng Menschenhandel und Cyberkriminalität mittlerweile verknüpft sind, und stellt eine doppelte Bedrohung dar: Die Opfer werden nicht nur ausgebeutet, sondern auch gezwungen, selbst Betrugsdelikte zu begehen.
Die Täter locken ihre Opfer meist mit verlockenden, aber falschen Jobangeboten, die gut bezahlte Arbeitsstellen in der Technologie- oder Vertriebsbranche versprechen. Besonders häufig werden Menschen aus wirtschaftlich schwachen Regionen in Asien und Afrika angesprochen, die auf der Suche nach besseren Lebensperspektiven sind. Nach ihrer Ankunft in den Betrugszentren werden ihnen häufig die Pässe abgenommen, und sie werden in streng bewachten Lagern festgehalten. Dort sehen sie sich massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, darunter physische und psychische Gewalt, Erpressung durch angebliche Schulden, sexuelle Ausbeutung, Folter und Vergewaltigung. Die Opfer werden gezwungen, an Online-Betrügereien teilzunehmen, wie etwa Investitionsbetrug, sogenanntem „Liebesschwindel“ (Romance Scams), betrügerischen Geschäften mit Kryptowährungen oder illegalem Online-Glücksspiel. Diese Tätigkeiten generieren enorme Summen: In Kambodscha allein soll der Ertrag aus solchen Betrugsaktivitäten jährlich 12,5 Milliarden US-Dollar übersteigen, was etwa der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts des Landes entspricht.
Interpol betont, dass diese Form der organisierten Kriminalität nicht nur aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung, sondern auch wegen ihrer Komplexität schwer zu bekämpfen ist. Die Täter nutzen rechtliche Schlupflöcher und die oft unzureichende internationale Koordination aus, um ihre Aktivitäten zu verschleiern. Zudem setzen sie synthetische Identitäten oder sogenannte „Finanzmulis“ ein, die unwissentlich Gelder waschen, was die Nachverfolgung erschwert. Ein Bericht von Amnesty International hebt hervor, dass in Kambodscha 53 solcher Betrugszentren identifiziert wurden, in denen Menschenhandel, Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Freiheitsberaubung und andere Misshandlungen stattfinden. Auch soziale Medien wie Telegram oder Facebook werden von Kriminellen genutzt, um Konten für Geldwäsche zu organisieren oder Opfer anzuwerben. Meta hat seit Anfang 2024 etwa sieben Millionen Facebook-Konten deaktiviert, die mit solchen Betrugszentren in Verbindung standen.
Die internationale Polizeiorganisation, die mit 196 Mitgliedsstaaten die größte ihrer Art ist, hat bereits mehrere groß angelegte Einsätze gegen Menschenhandel und Cyberkriminalität durchgeführt. So führte die Operation „Storm Makers II“ im Dezember 2023 in 27 Ländern zu 281 Festnahmen und der Rettung von 149 Opfern. Ein weiterer Einsatz Anfang Oktober 2024 in 116 Ländern resultierte in über 2.500 Festnahmen und der Rettung von mehr als 3.200 mutmaßlichen Opfern, darunter Minderjährige, die auf Farmen in Argentinien oder in Diskotheken in Nordmazedonien ausgebeutet wurden. In Costa Rica wurde die Leiterin einer Sekte festgenommen, die Kinder und Erwachsene zu Zwangsarbeit und Missbrauch zwang. Diese Einsätze verdeutlichen, dass Menschenhandel heute nicht mehr nur traditionelle Formen wie Zwangsprostitution oder Arbeitsausbeutung umfasst, sondern zunehmend mit anderen Verbrechen wie Drogenhandel oder Migrantenschmuggel verknüpft ist.
Die Bekämpfung dieser Krise erfordert laut Interpol eine verstärkte internationale Zusammenarbeit, da die Täter global agieren und nationale Rechtssysteme oft nicht mit der Geschwindigkeit und Komplexität der Kriminalität Schritt halten können. Drei von vier Opfern wurden in den letzten fünf Jahren nach Südostasien verschleppt, doch die Ausbreitung der Betrugszentren in andere Regionen zeigt, dass das Problem nicht mehr regional begrenzt ist. Interpol fordert daher eine koordinierte globale Antwort, um die Netzwerke zu zerschlagen, die Opfer zu schützen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Ohne eine solche Zusammenarbeit besteht die Gefahr, dass die organisierte Kriminalität weiter an Macht gewinnt und die Zahl der Opfer weiter steigt.
