Titelbild: Screenshot TikTok
Die Social Media-Nachricht, die scheinbar von Europol stammt und Opfer von Kryptobetrug anspricht, ist ein klassisches Beispiel für einen raffinierten Betrug, der auf der Verzweiflung und dem Misstrauen von Betroffenen aufbaut. Solche Fälle, in denen Kriminelle sich als offizielle Behörden ausgeben, um bereits geschädigte Personen nochmals auszubeuten, sind leider keine Seltenheit und werden oft als „Recovery-Scams“ oder „Zweitrundbetrug“ bezeichnet. Man muss verstehen, wie diese Masche funktioniert, warum sie so gefährlich ist und wie man sich schützt.
Europol, die Europäische Polizeibehörde, kontaktiert Bürger niemals direkt über private Messenger-Dienste wie WhatsApp, E-Mails oder SMS, um Ermittlungen durchzuführen, Unterstützung anzubieten oder Zahlungen zu verlangen.
Das ist ein zentraler Punkt, den Europol selbst in offiziellen Warnungen betont. Stattdessen leitet die Behörde solche Angelegenheiten immer an nationale Polizeibehörden weiter, und direkte Kommunikation mit Einzelpersonen erfolgt ausschließlich über offizielle Kanäle wie Gerichtsbeschlüsse oder polizeiliche Vorladungen.
In der Screenshot-Nachricht wird genau das Gegenteil suggeriert: Eine angebliche Mitarbeiterin des EC3 (European Cybercrime Centre, das Zentrum für Cyberkriminalität bei Europol) spricht von einer laufenden Untersuchung, verspricht Hilfe bis zur Klärung und verweist auf ein „Online Complaint Center“. Das klingt einfühlsam und seriös – mit dem Logo, dem englischen Text und dem Versprechen, „You are not alone“ –, doch es ist eine gezielte Täuschung.
Solche Nachrichten werden oft mit gefälschten Logos, manipulierten Bildern oder sogar Deepfakes versehen, um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen, und sie zielen speziell auf Personen ab, die bereits in Kryptobetrug verwickelt waren.
Der Hintergrund dieses Betrugs liegt in der explosionsartigen Zunahme von Kryptowährungs-Betrügereien in den letzten Jahren. Kriminelle Netzwerke locken Opfer mit falschen Investmentplattformen, Ponzi-Schemata oder gefälschten Trading-Apps an, bei denen Betroffene Tausende oder Hunderttausende Euro in scheinbar lukrative Krypto-Deals investieren, nur um alles zu verlieren, sobald sie auszahlen wollen.
Laut Berichten von Behörden wie Europol und der FBI wurden allein in den USA und Europa 2024 und 2025 Milliarden Euro durch solche Scams verschoben, oft unter Nutzung von Deepfakes, Social Engineering und anonymen Krypto-Wallets. Die Täter hinter diesen initialen Betrügereien verkaufen oder teilen häufig die Kontaktdaten ihrer Opfer an spezialisierte „Recovery-Firmen“ weiter – ein dunkler Markt, auf dem Listen von Geschädigten für Geld gehandelt werden. Diese zweiten Täter, oft aus Ländern mit laxer Regulierung wie Nigeria, Indien oder Osteuropa operierend, kontaktieren die Opfer dann unter dem Deckmantel von Behörden oder Anwälten und versprechen, die verlorenen Gelder zurückzuholen.
In diesem Fall wird Europol als Strohmann missbraucht, weil die Behörde als Symbol für internationale Cyberermittlungen gilt und Vertrauen weckt, besonders bei EU-Bürgern.
Wie funktioniert der „Doppelkassieren“-Mechanismus genau? Nach dem ersten Kontakt, wie in der Nachricht, bauen die Betrüger eine emotionale Bindung auf: Sie hören sich die Geschichte des Opfers an, tun so, als würden sie „Akten“ prüfen, und diagnostizieren dann, dass die gestohlenen Kryptos in einer „Block-Chain-Untersuchung“ stecken oder von Geldwäschern bewegt werden. Um die Rückholung zu starten, fordern sie „Vorauszahlungen“ – angeblich für Gerichtskosten, Blockchain-Analyse-Tools, Anwaltsgebühren oder sogar „Steuern auf die Rückzahlung“.
Diese Beträge beginnen bei ein paar Hundert Euro und steigen schnell, oft über Krypto-Transfers oder unzugängliche Zahlungsmethoden wie Gutscheine. Sobald das Geld überwiesen ist, verschwinden die Betrüger oder erfinden neue Hürden, die weitere Zahlungen erfordern. Es kommt vor, dass Opfer so viel verlieren wie beim ursprünglichen Scam – oder mehr. Dieser Zweitrundbetrug ist besonders perfide, weil er auf der Hoffnung der Geschädigten basiert: Viele fühlen sich hilflos nach dem ersten Verlust und greifen nach jedem Strohhalm, ohne die Warnsignale zu erkennen. Statistisch gesehen gelingt es in 90 Prozent der Fälle nicht, gestohlene Kryptos vollständig zurückzuholen, da Blockchain-Transaktionen irreversibel sind, und seriöse Recovery-Dienste (wie von Anwaltskanzleien oder spezialisierten Firmen) verlangen nie Vorauszahlungen, sondern arbeiten auf Erfolgsbasis.
Der Aufstieg solcher Scams hängt eng mit der Digitalisierung zusammen: Die Pandemie und der Krypto-Boom haben die Zielgruppe erweitert, von technisch versierten Tradern bis hin zu älteren Menschen, die über Social Media oder Dating-Apps hereingefallen sind. Kriminelle nutzen Datenlecks aus Exchanges wie Binance oder Coinbase, um Adressen und Transaktionshistorien zu extrahieren, und passen ihre Nachrichten personalisiert an – in Ihrem Fall auf Deutsch, mit Bezug zu „Scams im Internetzeitalter“. Europol warnt explizit davor, dass solche impersonierenden Kontakte immer Betrug sind, und rät, keine Downloads, Zahlungen oder persönlichen Daten preiszugeben. Ähnliche Fälle wurden in Belgien, den Niederlanden und Deutschland dokumentiert, wo Scammer sogar die Chefin von Europol, Catherine De Bolle, nachahmten, um Ängste zu schüren. In Deutschland meldet die Polizei jährlich Tausende solcher Vorfälle über die Zentralstelle für Internetkriminalität, und Plattformen wie WhatsApp blocken täglich Millionen verdächtiger Accounts.
Was können Sie tun, wenn Sie bereits kontaktiert wurden?
Ignorieren Sie die Nachricht sofort und blocken Sie den Absender – jede weitere Interaktion gibt den Tätern nur mehr Munition. Melden Sie den Vorfall bei Ihrer lokalen Polizei oder über die offizielle Europol-Seite (europol.europa.eu/report-a-crime), die Sie zu nationalen Meldestellen weiterleitet, wie der deutschen Internetwache. Für den ursprünglichen Kryptoverlust: Sammeln Sie alle Beweise (Transaktions-IDs, Screenshots, E-Mails) und konsultieren Sie einen Anwalt oder eine Verbraucherschutzorganisation wie die Verbraucherzentrale. Es gibt seriöse Wege, wie Chainalysis-Tools der Behörden oder Zivilklagen gegen Exchanges, aber Geduld ist gefragt – und vor allem: Keine Panik, die Täter zielen genau darauf ab. Indem Sie warnen, wie Sie es tun, tragen Sie bereits dazu bei, den Kreislauf zu durchbrechen. Bleiben Sie wachsam, teilen Sie solche Fälle in Foren oder mit Freunden, und erinnern Sie sich: Wahre Hilfe kommt nie mit Zahlungsaufforderungen oder Geheimniskrämerei.
