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Damals

Das Ende der ‚MS Astoria‘

Das Kreuzfahrtschiff Astoria, das einst unter dem Namen Völkerfreundschaft als Symbol des sozialistischen Traumschiffs der DDR bekannt war, steht vor einem ungewissen Schicksal, das von der drohenden Verschrottung überschattet wird. Die Geschichte dieses Schiffes ist eine faszinierende Reise durch die maritime und politische Geschichte des 20. Jahrhunderts, geprägt von wechselnden Eigentümern, zahlreichen Namensänderungen und dramatischen Ereignissen, die es zu einem der ältesten noch existierenden Passagierschiffe der Welt gemacht haben. Gebaut wurde das Schiff 1946 in der Werft Götaverken in Göteborg, Schweden, als Transatlantikliner Stockholm für die Swedish American Line.


Es absolvierte seine Jungfernfahrt am 21. Februar 1948 von Göteborg nach New York und war in den folgenden Jahren ein moderner Ozeanriese, der den Atlantik überquerte. Bereits 1956 erlangte das Schiff traurige Berühmtheit, als es in einer Nebelbank vor Nantucket mit dem italienischen Luxusliner Andrea Doria kollidierte, ein Unglück, bei dem 51 Menschen starben und die Andrea Doria sank. Trotz schwerer Beschädigungen am Bug konnte die Stockholm nach New York zurückkehren und wurde repariert.
Im Januar 1960 begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Schiffes, als die DDR es für 20 Millionen Schwedische Kronen erwarb, finanziert durch die sogenannte Steckenpferd-Bewegung, eine Initiative zur Devisenbeschaffung. Umbenannt in Völkerfreundschaft – ein Name, der die Ideale der „Freundschaft zwischen den Völkern“ symbolisieren sollte – wurde es dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) unterstellt und von der Deutschen Seereederei (DSR) in Rostock bereedert. Das Schiff wurde zu einem Einklassenschiff mit Platz für 568 Passagiere umgebaut und diente fortan als Urlaubsschiff für „verdiente Werktätige“, Aktivisten und DDR-Sportler. Von Rostock aus stach die Völkerfreundschaft in See, um sozialistische Bruderstaaten wie Kuba, Jugoslawien oder die Sowjetunion anzulaufen.


Reisen führten in den Ostseeraum, ins Schwarze Meer oder ins Mittelmeer, wobei die Routen oft politisch geprägt waren, da westliche Häfen nach dem Mauerbau 1961 für DDR-Schiffe weitgehend tabu waren. Ein besonders denkwürdiges Ereignis war die Fahrt während der Kubakrise 1962, als die Völkerfreundschaft, begleitet von einem US-Zerstörer, die amerikanische Blockadelinie passierte und unversehrt Havanna erreichte. Für viele DDR-Bürger bot das Schiff einen seltenen Hauch von Freiheit und die Möglichkeit, die Welt jenseits der engen Grenzen ihres Landes zu erleben, auch wenn die Reisenden sorgfältig ausgewählt und von der Staatssicherheit überwacht wurden.
Die Völkerfreundschaft war nicht nur ein Urlaubsschiff, sondern auch ein kulturelles und politisches Symbol. Sie diente als Kulisse für den DDR-Spielfilm „Die Rache des Kapitäns Mitchell“ (1979) und wurde 1975 kollektiv mit dem Orden „Stern der Völkerfreundschaft“ ausgezeichnet. Doch auch dramatische Zwischenfälle prägten ihre Zeit unter DDR-Flagge. 1968 sprang ein Passagier im Fehmarnbelt von Bord, um in die Bundesrepublik zu fliehen, und wurde von der Bundesmarine gerettet. Bei diesem Vorfall rammte das Torpedofangboot Najade versehentlich die Völkerfreundschaft, die jedoch nur leicht beschädigt weiterfuhr. 1983 kollidierte das Schiff erneut, diesmal mit dem U-Boot U 26 der Bundesmarine nahe dem Feuerschiff Fehmarnbelt. Nach 25 Jahren im Dienst, in denen es 117 Häfen in 51 Ländern anlief und über 2,7 Millionen Kilometer zurücklegte, wurde die Völkerfreundschaft 1985 an die Reederei Neptunus Rex Enterprise verkauft und in Volker umbenannt.


In den folgenden Jahrzehnten wechselte das Schiff mehrfach den Namen und Eigentümer, darunter Fridtjof Nansen, Italia I, Italia Prima, Valtur Prima, Caribe, Athena, Azores und schließlich Astoria ab 2016. Ein umfassender Umbau 1992 in Genua modernisierte das Schiff, wobei nur der Rumpf erhalten blieb und neue Aufbauten entstanden. Trotz seiner bewegten Geschichte blieb es ein beliebtes Kreuzfahrtschiff, das für verschiedene Reedereien, darunter Cruise & Maritime Voyages (CMV), im Mittelmeer und anderen Regionen eingesetzt wurde. Es machte sogar einen Auftritt in der Castingshow „Germany’s Next Topmodel“. Doch die Corona-Pandemie 2020 setzte dem Betrieb ein abruptes Ende. CMV meldete Insolvenz, und die Astoria wurde in Rotterdam aufgelegt, wo sie seitdem vor sich hin rostet. Eine Versteigerung 2021 scheiterte, da niemand das Mindestgebot von zehn Millionen Euro bot. Im Juni 2025 wurde das Schiff schließlich bei einer erneuten Auktion in Rotterdam für nur 200.000 Euro an die Abwrackwerft Galloo in Gent verkauft, da Experten aufgrund der Schäden und des Alters keine wirtschaftliche Weiternutzung mehr für möglich halten. Der Materialwert wird auf etwa 2,75 Millionen Euro geschätzt, was die Verschrottung wirtschaftlich attraktiv macht.
Die drohende Verschrottung der Astoria markiert das Ende einer Ära. Als Stockholm, Völkerfreundschaft und schließlich Astoria war das Schiff Zeuge historischer Umbrüche, von der Blütezeit der Transatlantikliner über die sozialistische Ära der DDR bis zur modernen Kreuzfahrtindustrie.


Für viele Rostocker und ehemalige DDR-Bürger ist es ein schwimmendes Stück Geschichte, das mit Nostalgie und Stolz verbunden ist. Dennoch scheint das Schicksal besiegelt, da weder ein neuer Betreiber noch ein Museum die Kosten für die Erhaltung dieses maritimen Denkmals übernehmen will. So wird die Astoria, die einst als „Weißer Schwan“ die Meere durchkreuzte, wohl bald nur noch in Erinnerungen, Fotos und Modellen, wie dem im Virtuellen Landesmuseum Mecklenburg, fortleben.

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