Titelbild: Changi Prison Waycool27
Zum ersten Mal seit fast drei Jahrzehnten hat Singapurs Präsident Tharman Shanmugaratnam einem wegen Drogenhandels zum Tode verurteilten Mann Gnade gewährt und dessen Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Diese Entscheidung markiert einen seltenen Akt der Milde in einem Land, das für seine äußerst strenge Drogenpolitik bekannt ist und regelmäßig Todesstrafen für Drogendelikte verhängt. Der 33-jährige Verurteilte war im Jahr 2023 wegen des Besitzes von mindestens 337 Gramm Methamphetamin schuldig gesprochen worden, einer Menge, die in Singapur automatisch als Handelsabsicht gewertet wird. Das ursprüngliche Todesurteil wurde später von einem Berufungsgericht bestätigt, was die Aussicht auf eine Hinrichtung durch den Strang, die übliche Methode in Singapur, konkretisierte.
Die Begnadigung erfolgte auf Empfehlung der Regierung, obwohl das Urteil nach offiziellen Angaben „juristisch einwandfrei“ war. Der entscheidende Grund für die Umwandlung der Strafe lag in der Vermeidung einer Ungleichbehandlung.
Ein Komplize des Verurteilten war in einem separaten Verfahren für dieselbe Straftat lediglich zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Um eine konsistente Bestrafung zu gewährleisten, bat die Regierung den Präsidenten, Gnade walten zu lassen. Diese Entscheidung ist bemerkenswert, da Singapur weltweit für seine kompromisslose Haltung im Kampf gegen Drogenhandel bekannt ist. Der Stadtstaat, strategisch an einer wichtigen Route des internationalen Drogenhandels gelegen, setzt auf drakonische Strafen, um ein Umschlagplatz für illegale Substanzen zu verhindern. Bereits der Besitz bestimmter Mengen an Drogen wie 15 Gramm Heroin, 500 Gramm Cannabis oder 250 Gramm Methamphetamin führt nach singapurischem Recht zwingend zur Todesstrafe.
Die Begnadigung steht im Kontrast zu Singapurs jüngerer Geschichte, in der Todesurteile konsequent vollstreckt wurden. Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen nach einer coronabedingten Pause im März 2022 wurden mindestens 15 Personen wegen Drogendelikten hingerichtet, darunter im Juli 2023 erstmals seit 19 Jahren eine Frau. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und die Vereinten Nationen kritisieren diese Praxis regelmäßig und argumentieren, dass die Todesstrafe keine nachweisbare abschreckende Wirkung habe und unverhältnismäßig häufig Angehörige sozialer Unterschichten oder ethnischer Minderheiten betrifft. Dennoch verteidigt die singapurische Regierung ihre Politik und beruft sich auf Umfragen, wonach über zwei Drittel der Bevölkerung die Todesstrafe für Drogenhandel befürworten. Innenminister K. Shanmugam betonte in einer Parlamentsdebatte, dass die harten Strafen notwendig seien, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und den Drogenhandel einzudämmen.
Die Entscheidung zur Begnadigung wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Balance zwischen Singapurs rigider Justizpolitik und seltenen Momenten der Nachgiebigkeit. Während die Regierung ihre harte Linie als notwendige Maßnahme zur Verhinderung von Drogenkriminalität verteidigt, zeigt dieser Fall, dass Ausnahmen möglich sind, wenn es um die Wahrung von Gerechtigkeit und Gleichbehandlung geht. Dennoch bleibt die Todesstrafe ein zentraler Bestandteil der singapurischen Drogenpolitik, und die Begnadigung dürfte keine grundlegende Änderung dieser Haltung signalisieren. Stattdessen unterstreicht sie die Macht des Präsidenten, in Einzelfällen Gnade zu gewähren, ohne die übergeordnete Strategie des Stadtstaats infrage zu stellen.
