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Damals

Die letzte zivile Hinrichtung in der späteren Bundesrepublik


Quellen: verschiedene Archive

Titelbild: Beispielbild Pixabay Fallschwertmaschine 


Richard Schuh, ein 27-jähriger gelernter Mechaniker aus dem kleinen Ort Remmingsheim im Landkreis Tübingen in Baden-Württemberg, führte ein unstetes Leben in den chaotischen Nachkriegsjahren Deutschlands.
Das Land lag 1948 noch immer in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs, Rationierungen prägten den Alltag, und auf dem Schwarzmarkt blühten illegale Geschäfte auf, die oft aus purer Not geboren wurden. Schuh, der den langen Krieg und die verwirrten Nachkriegsverhältnisse überlebt hatte, hatte den Respekt vor dem Leben und den Gesetzen verloren, wie es später im Urteil des Landgerichts Tübingen hieß. Er schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, immer auf der Suche nach schnellem Geld, das ihm half, den harten Alltag zu überbrücken. Doch an einem kalten Januarmorgen des Jahres 1948 eskalierte seine Verzweiflung in eine brutale Tat, die nicht nur ein Leben forderte, sondern auch das seine besiegeln sollte.Es war Ende Januar 1948, als Richard Schuh an einer einsamen Landstraße in der Umgebung von Tübingen stand und per Anhalter reiste. Die Straßen waren leer, der Winterwind pfiff durch die kahlen Bäume, und Schuh hatte ein klares Ziel vor Augen: Er brauchte Geld, und er wusste, wie er es bekommen konnte. Der Lastwagenfahrer Eugen Roth, ein hilfsbereiter Mann aus der Region, der mit seinem nagelneuen Fahrzeug unterwegs war, hielt an und nahm den Tramp mit. Roth konnte nicht ahnen, dass seine Gutmütigkeit sein letztes sein würde.
Schuh, der es auf die kostbaren Reifen des Lastwagens abgesehen hatte – ein rares und wertvolles Gut in der Nachkriegszeit, das auf dem Schwarzmarkt hohe Preise erzielte –, wartete auf den passenden Moment. Als sie eine abgelegene Stelle erreichten, zog er eine Waffe und feuerte dreimal auf den Fahrer. Roth starb sofort, sein Körper wurde achtlos am Straßenrand abgelegt.
Schuh fuhr den Laster in ein nahes Waldstück, montierte die Reifen ab und verkaufte sie umgehend auf dem Schwarzmarkt.
Die Tat war kaltblütig, geplant und getrieben von niederen Beweggründen, wie das Gericht später urteilte
Es ging um Raub, nicht um Rache oder Leidenschaft, sondern um pure Gier in Zeiten der Knappheit.Die Ermittlungen kamen schnell voran. In einer Zeit, in der die Polizei noch auf traditionelle Methoden angewiesen war, ohne die heutigen digitalen Hilfsmittel, führten Zeugenaussagen und Spuren direkt zu Schuh.
Er wurde noch im selben Monat festgenommen, zusammen mit zwei Komplizen, die an der Tat beteiligt gewesen waren, wenngleich in geringerem Maße. Das Landgericht Tübingen, das in den Wirren der Nachkriegszeit noch unter französischer Besatzung stand, verhandelte den Fall mit der Strenge einer Ära, die den Schrecken des Nationalsozialismus hinter sich lassen wollte, aber noch immer mit harten Strafen operierte. Im Mai 1948 fiel das Urteil.
Tod durch Enthaupten wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub. Schuhs Revision wurde verworfen, und Gnadengesuche seiner Familie – darunter seine drei Tanten, die verzweifelt um Gnade für den Neffen baten – blieben erfolglos.
Sogar der Direktor des Gefängnisses, in dem Schuh inhaftiert war, setzte sich für eine Begnadigung ein, doch der Ministerpräsident von Württemberg-Hohenzollern, Gebhard Müller, ein Befürworter der Todesstrafe, lehnte ab. Er argumentierte, eine Begnadigung für Schuh würde eine Flut ähnlicher Fälle nach sich ziehen und die Abschreckungswirkung untergraben. Die tragische Folge der Verurteilung war, dass Schuhs Mutter, unfähig, die Schande und den Schmerz zu ertragen, kurz nach der Festnahme ihres Sohnes Selbstmord beging.
Die Familie zerbrach endgültig unter dem Gewicht der Tragödie.
Während Schuh auf seine Hinrichtung wartete, brodelte in Deutschland eine Debatte über die Zukunft der Justiz. Das Land stand vor der Gründung der Bundesrepublik, und in den Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz entwarf, rangen Vertreter unterschiedlicher politischer Lager mit der Frage der Todesstrafe. Befürworter sahen sie als notwendige Abschreckung gegen die Verbrechenswelle der Nachkriegszeit, Gegner – wie der SPD-Politiker Carlo Schmid – appellierten an den zivilisatorischen Fortschritt und warnten davor, dass der Staat durch staatlich sanktioniertes Töten seine moralische Überlegenheit einbüßte. „Man sollte mit dem Töten von Amts wegen schlechthin ein Ende machen“, formulierte Schmid treffend.
Dennoch wurde in den westlichen Besatzungszonen zwischen 1945 und 1949 insgesamt 34 Todesurteile gefällt, von denen 15 vollstreckt wurden. Schuhs Fall war einer davon, und er sollte der vorletzte zivile in Westdeutschland sein. In Württemberg-Hohenzollern allein hatte es seit der Kapitulation fünf solcher Urteile gegeben, doch nur Schuhs wurde ausgeführt.
Die Nacht vor der Hinrichtung war für Richard Schuh eine der längsten seines Lebens. Er erfuhr den genauen Termin erst am Abend des 17. Februars 1949, und die Nachricht traf ihn hart: Er erschrak in starkem Maße, wie es in den offiziellen Aufzeichnungen heißt. Schlaf fand er nicht; stattdessen rauchte er Zigaretten, trank Wein und verfasste Abschiedsbriefe an seine ehemalige Geliebte, seine Familie und sogar seine Vermieterin. In diesen Zeilen spiegelte sich eine Mischung aus Reue, Verzweiflung und Resignation wider – ein junger Mann, der sein Leben reflektierte, das so jäh enden sollte. Draußen in Tübingen, einer malerischen Universitätsstadt am Neckar, die noch die Narben des Krieges trug, ahnte niemand, dass der Morgen eine düstere Tradition beenden würde.
Am 18. Februar 1949, einem kalten Freitagmorgen, fiel um kurz nach sechs Uhr das Fallbeil im Innenhof des Justizgefängnisses an der Doblerstraße 18. Die Guillotine, ein Relikt aus einer barbarischeren Zeit, war eigens aus dem Gefängnis in Rastatt herangeschafft worden, da Tübingen kein eigenes Gerät besaß. Sie war ein massives Konstrukt aus Holz und Metall, das mit seiner scharfen Klinge schon unzählige Male Blut vergossen hatte. Der Henker, ein erfahrener Scharfrichter, hatte das Gerät in der Nacht zuvor montiert und getestet; das Beil sauste probehalber herab, ohne dass jemand es bemerkte. Um fünf Uhr morgens wurde Schuh aus seiner Zelle geholt. Begleitet von zwei Geistlichen, die ein letztes Gebet sprachen, und unter strenger Bewachung, schritt er den kurzen Weg in den Hof.
Zwölf Vertreter der Stadt Tübingen, darunter Beamte und Zeugen, mussten der Vollstreckung beiwohnen, wie es das Gesetz vorschrieb. Der Oberstaatsanwalt Richard Krauß, eine autoritäre Figur in diesem makabren Ritual, sprach die letzten Worte: „Richard Schuh, Ihr Leben ist verwirkt! Gehen Sie mutig und gefasst Ihren letzten schweren Gang mit dem Bewusstsein, dass Sie nur dadurch Ihre Schuld sühnen und sich von Ihrer Todsünde reinigen können. Gott sei Ihrer Seele gnädig!“ Gleichzeitig ertönte vom Giebel des Tübinger Rathauses das Armsünderglöckchen, ein kleines, trauriges Glöcklein, das traditionell die Hinrichtung verkündete und das seitdem nie wieder geläutet wurde.Schuh, der 28 Jahre alt geworden war, blieb bis zum Schluss beherrscht. Er gab keinen Laut von sich, als er auf das Schafott geführt wurde, das Haupt in die Halterung gelegt und die Fesseln angelegt. Der Henker betätigte den Auslöser, und das Fallbeil sauste herab – die gesamte Prozedur dauerte keine zehn Minuten. Der Kopf rollte in den Korb, der Körper sackte leblos zusammen. Im Protokoll hieß es nüchtern: „Der Verurteilte war völlig beherrscht und gab keinen Laut von sich.“ Der Leichnam wurde in einen einfachen Sarg gelegt und den Mitarbeitern des Anatomischen Instituts der Universität Tübingen übergeben, wo er für medizinische Studien diente – eine weitere Demütigung in einer Kette der Grausamkeit.
Die Guillotine selbst wurde nach der Exekution demontiert und später ins Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg gebracht, wo sie heute als Mahnmal steht.Diese Hinrichtung markierte das Ende einer Ära in Westdeutschland. Nur drei Monate später, am 23. Mai 1949, trat das Grundgesetz in Kraft und schaffte die Todesstrafe für normale Straftaten ab – auf Initiative von Politikern, die aus den Schrecken des Krieges gelernt hatten.
Allerdings gab es Ausnahmen.
Bis 1951 vollstreckten alliierte Militärgerichte noch rund 500 Todesurteile gegen NS-Verbrecher, darunter die berüchtigten Prozesse in Landsberg. In der DDR hingegen blieb die Todesstrafe bis 1987 bestehen; die letzte Hinrichtung fand 1981 statt, zunächst per Fallbeil, später durch Erschießen. Schuhs Tod, so banal und tragisch zugleich, wurde zum Symbol für den Übergang in eine humanere Justiz. Heute, mehr als 75 Jahre später, erinnert er an die Grausamkeiten der Vergangenheit und die Hoffnung, dass der Staat nie wieder tötet. In Tübingen, wo das Leben weiterfließt, läutet das Armsünderglöckchen stumm weiter, ein stummer Wächter über eine Zeit, die hoffentlich nie zurückkehrt.

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