Der Fall Manuel Schadwald ist einer der bekanntesten und tragischsten Vermisstenfälle Deutschlands, der bis heute viele Fragen offenlässt. Manuel Schadwald, geboren am 24. Januar 1981 in Berlin, war ein damals zwölfjähriger Junge, der am 24. Juli 1993 spurlos in Berlin verschwand.
Titelbild Manuel Schadwald © Polizei Berlin
Sein Verschwinden löste intensive polizeiliche Ermittlungen und große mediale Aufmerksamkeit aus, doch der Fall wurde 1998 ohne Ergebnis geschlossen. Spuren deuten auf Verbindungen zur Pädophilenszene in den Benelux-Ländern, insbesondere den Niederlanden, und möglicherweise zur Affäre um den belgischen Kinderschänder Marc Dutroux hin.Manuel Schadwald lebte mit seiner alleinerziehenden Mutter im Berliner Bezirk Tempelhof. Er war ein guter Schüler und interessierte sich für Computerspiele, die er oft in Kaufhäusern oder Freizeitzentren spielte.
Am 24. Juli 1993 verließ er gegen Mittag seine Wohnung in der Gäßnerweg, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Freizeit- und Erholungszentrum Wuhlheide (FEZ) in Berlin-Köpenick zu fahren, etwa zehn Kilometer entfernt. Er war nicht zum ersten Mal auf diesem Weg, doch an diesem Tag kam er nie am FEZ an..Manuel war damals 1,57 Meter groß, hatte dunkelbraune Haare und grau-braune Augen. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens trug er kurze Jeans, schwarze Turnschuhe, ein graues T-Shirt und eine graue Sommerjacke mit einem Logo auf dem Rücken.
Er hatte einen türkisfarbenen Rucksack mit der Aufschrift „Miami Vice“, seinen Personalausweis und den Wohnungsschlüssel dabei. Nachdem er nicht zurückkehrte, meldeten seine Eltern ihn als vermisst, und die Polizei begann sofort mit einer groß angelegten Suche.Die Berliner Polizei ging schnell von einem Verbrechen aus, da Manuel keine Anzeichen zeigte, freiwillig weggelaufen zu sein. In den ersten Wochen wurden Verkäufer in Kaufhäusern und Betreuer im FEZ befragt, da Manuel dort regelmäßig Zeit verbrachte. Fahndungsplakate mit seinem Foto und seiner Beschreibung wurden verbreitet, doch es gab zunächst keine konkreten Hinweise.Ein erster bedeutender Hinweis kam im Juni 1994, als ein anonymer Anrufer bei der Berliner Beratungsstelle „Mann-O-Meter“ für schwule und bisexuelle Männer in Schöneberg anrief. Der Anrufer behauptete, Manuel sei nach Amsterdam verschleppt worden und bereits tot. Er gab eine Täterbeschreibung, die an die Polizei weitergeleitet wurde. Daraufhin leitete die Berliner Polizei Ermittlungen in den Niederlanden ein, insbesondere in Rotterdam und Amsterdam, die sich auf die dortige Kinderprostitutionsszene konzentrierten.
Diese Ermittlungen wurden 1995 jedoch ohne Ergebnisse eingestellt, und die Polizei machte die Informationen nicht öffentlich.1997 berichtete ein niederländischer Fernsehsender, Manuel sei in einem kinderpornografischen Film identifiziert worden. Die Berliner Polizei dementierte dies jedoch kurz darauf, was Zweifel an der Verlässlichkeit solcher Berichte aufwarf. Dennoch mehrten sich Hinweise, dass Manuel in die Pädophilenszene der Benelux-Länder verschleppt worden sein könnte.. Laut späteren Berichten von Zeitungen wie Die Welt und Algemeen Dagblad (2015) sollen in den frühen 1990er-Jahren Kinder aus Berlin in Bordelle in Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen verkauft worden sein, was die Berliner Staatsanwaltschaft bereits 1993 gewusst haben soll.Ein zentraler Aspekt des Falls ist die mutmaßliche Verbindung zur sogenannten Zandvoort-Affäre und möglicherweise zur Verbrechensserie des belgischen Kinderschänders Marc Dutroux. Im Juli 1998 deckten niederländische Ermittlungen ein großes Kinderpornografie-Netzwerk in Zandvoort auf, nachdem Tausende von Fotos und Videos mit missbrauchten Kindern, darunter auch Kleinkindern, gefunden wurden. Diese Materialien waren im Besitz von Gerrit Ulrich, einem Mann, der mit einem niederländischen Buchhalter zusammenlebte, dem die Yacht „Apollo“ gehörte.
Laut Berichten von Die Welt und Informanten des niederländischen Geheimdienstes AIVD soll Manuel auf der Yacht „Apollo“ missbraucht und getötet worden sein. Diese Yacht gehörte angeblich einflussreichen Personen, die Kinder für sexuelle Zwecke missbrauchten, während die Taten gefilmt wurden. Nach dem Vorfall soll die Yacht zu einem militärischen Hafen der niederländischen Marine gebracht und gereinigt worden sein, um Spuren zu beseitigen. Manuels Leiche wurde demnach im Meer versenkt. Diese Informationen stammen jedoch aus zweiter Hand und wurden nie gerichtlich bestätigt.Die belgische Sozialarbeiterin Gina Pardaens-Bernaer, die in den Fällen Dutroux und Schadwald ermittelte, behauptete, eine Kopie eines Films zu besitzen, der Manuels Tod zeige. Sie berichtete von Morddrohungen und Interesse seitens Geheimdienste an ihrem Material. Am 13. November 1998 wurde in ihr Haus eingebrochen, und am nächsten Tag starb sie bei einem Autounfall, kurz vor einer geplanten Vernehmung durch die Polizei. Ihr Tod ist einer von 27 ungeklärten Todesfällen, die mit der Dutroux-Affäre in Verbindung gebracht werden, was Spekulationen über eine Vertuschung nährt.Ein besonders kontroverser Aspekt ist die Rolle von Manuels Vater, Rainer Wolf. Laut der Berliner Morgenpost war Wolf ein Agent der DDR-Stasi, der ab 1984 die westdeutsche Friedensbewegung infiltrierte.
Er soll Politiker, Anwälte und Geschäftsleute mit Kinderpornografie erpresst haben, wobei die Kinder aus DDR-Kinderheimen stammten. Nach der Wiedervereinigung sollen diese Stasi-Netzwerke weiter aktiv gewesen sein. Wolf geriet 1998 in Verdacht, seinen eigenen Sohn an Bordelle in den Niederlanden verkauft zu haben, wurde jedoch nach wenigen Tagen Haft freigelassen. Diese Vorwürfe bleiben unbewiesen, werfen aber ein düsteres Licht auf mögliche Verstrickungen.
1998 stellte die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein. Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge erklärte, es sei unklar, ob Manuel noch lebe oder wo er sich befinde. Die Eltern hatten zuvor eine Anzeige wegen Mordes gegen Unbekannt gestellt, doch auch diese führte zu keinem Ergebnis. .Die Berliner Presse, darunter der Tagesspiegel, kritisierte die Ermittlungsbehörden scharf für mangelnde Sorgfalt. Mehrere Verfahren gegen Polizeibeamte wegen Vernachlässigung von Spuren wurden eingeleitet, aber später eingestellt.Die Schließung des Falls ohne konkrete Ergebnisse führte zu Vorwürfen, dass einflussreiche Kreise eine Aufklärung verhindert hätten. Berichte von Die Welt (2015) und anderen Quellen deuten darauf hin, dass die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft Hinweise auf ein organisiertes Netzwerk nicht ausreichend verfolgten, möglicherweise wegen politischen Drucks oder der Verwicklung „hochrangiger Kreise“.
Der Journalist Oliver Greyf veröffentlichte 2023 das Buch Der Fall Manuel Schadwald und das Zandvoort-Netzwerk: Fakten & Akten, das auf umfangreichen Recherchen basiert, einschließlich Presseberichten und Aktenleaks. Greyf beschreibt ein weit verzweigtes Netzwerk von Pädophilen, das über die Niederlande, Belgien und Deutschland operierte. Er behauptet, dass Manuels Schicksal eng mit diesem Netzwerk verknüpft sei, und wirft den Behörden vor, entscheidende Hinweise ignoriert zu haben. Sein Buch wird als „Muss“ für diejenigen beschrieben, die die Wahrheit hinter dem Fall suchen, doch es bleibt umstritten, da einige Informationen auf unbestätigten Quellen basieren.Bis heute gibt es keine Gewissheit über Manuels Schicksal.
Die meisten Quellen gehen davon aus, dass er nicht mehr lebt, basierend auf Hinweisen wie dem anonymen Anruf von 1994 und Berichten über die Yacht „Apollo“. Dennoch gibt es keine forensischen Beweise, und sein Leichnam wurde nie gefunden. Der Fall bleibt ein Symbol für die Schwierigkeiten, organisierte Kriminalität in der Pädophilenszene aufzudecken, insbesondere wenn einflussreiche Personen involviert sein könnten.Spekulationen über eine groß angelegte Vertuschung halten an, gestützt durch die mysteriösen Todesfälle rund um die Dutroux-Affäre und die unzureichenden Ermittlungen in Berlin. Kritiker bemängeln, dass die Behörden Hinweise wie den anonymen Anruf oder die Zandvoort-Funde nicht konsequent verfolgten. Andererseits warnen einige Stimmen vor Verschwörungstheorien, da viele Informationen auf Zeugenaussagen oder Indizien ohne definitive Beweise beruhen.Die verfügbaren Informationen – von Presseberichten bis zu Greyfs Buch – zeichnen ein erschütterndes Bild, sind aber oft widersprüchlich. Die Verbindung zu Marc Dutroux und Zandvoort basiert größtenteils auf Berichten von Informanten und Journalisten, nicht auf gerichtsfesten Beweisen. Die Vorwürfe gegen Rainer Wolf sind schwerwiegend, aber ohne konkrete Verurteilung spekulativ. Ebenso bleibt die Geschichte der Yacht „Apollo“ unbestätigt, da keine offiziellen Dokumente die Ereignisse belegen.Die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft stehen im Fokus der Kritik, doch es ist unklar, ob Nachlässigkeit, Überforderung oder bewusste Vertuschung vorlag. Die hohen Todeszahlen rund um die Dutroux-Ermittlungen nähren Misstrauen, könnten aber auch Zufall sein. Eine kritische Betrachtung zeigt, dass der Fall ein komplexes Geflecht aus Fakten, Vermutungen und unbeantworteten Fragen ist.Der Fall Manuel Schadwald ist ein tragisches Beispiel für ein unaufgeklärtes Verbrechen, das tiefes Misstrauen gegenüber Behörden und gesellschaftlichen Strukturen geschürt hat. Die Hinweise auf ein pädokriminelles Netzwerk in den Benelux-Ländern sind beunruhigend, doch ohne konkrete Beweise bleibt vieles im Dunkeln. Für Manuels Familie, die seit über 30 Jahren keine Gewissheit hat, ist der Fall eine offene Wunde. Wer weitere Details sucht, findet in Greyfs Buch oder Archiven von Die Welt und Berliner Zeitung vertiefende, wenn auch teils spekulative Informationen.