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Camp Ashcan

Titelbild: Gruppenbild Camp Ashcan, Sommer1945, Public Domain

Im luxemburgischen Kurort Bad Mondorf, bekannt für seine Thermalquellen und eleganten Hotels, richtete die US-Armee im Frühsommer 1945 ein geheimes Gefangenenlager ein, das unter dem Codenamen „Camp Ashcan“ bekannt wurde. Offiziell als Central Continental Prisoner of War Enclosure No. 32 bezeichnet, diente es von Mai bis September 1945 als Verhör- und Internierungszentrum für die prominentesten Figuren des untergegangenen Dritten Reiches. Das Lager war im Palace Hotel untergebracht, einem ehemals luxuriösen Gebäude, das für diesen Zweck drastisch umgestaltet wurde.

Die eleganten Hotelmöbel wurden von deutschen Kriegsgefangenen in ein nahegelegenes Kloster gebracht, und die Zimmer wurden spartanisch mit klappbaren Feldbetten, zwei Decken, einem Stuhl und einem Tisch ausgestattet. Fensterscheiben wurden durch Sicherheits-Acrylglas ersetzt, und Eisenstangen sicherten die Fenster. So entstand ein Ort, der äußerlich noch an einen Kurort erinnerte, innerlich aber ein streng bewachtes Gefängnis war.
Camp Ashcan war kein gewöhnliches Kriegsgefangenenlager. Es war speziell dafür konzipiert, hochrangige nationalsozialistische Funktionäre und Militärs zu internieren, die für die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher vorbereitet werden sollten.

Unter den 86 Gefangenen befanden sich Persönlichkeiten wie Hermann Göring, Reichsmarschall und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Joachim von Ribbentrop, Reichsaußenminister, und Julius Streicher, Herausgeber der antisemitischen Zeitung „Der Stürmer“. Auch Alfred Rosenberg, der führende Ideologe der NSDAP, und Arthur Seyß-Inquart, Reichskommissar der besetzten , waren hier inhaftiert. Diese Männer, die einst die Machtstrukturen des NS-Regimes prägten, wurden nun in einem ehemaligen Luxushotel unter strengen Sicherheitsvorkehrungen festgehalten.
Die Organisation des Lagers spiegelte die besondere Natur seiner Insassen wider. Die Gefangenen waren in den dritten und vierten Stockwerken untergebracht, während das zweite Stockwerk leer blieb und die amerikanischen Wachmannschaften das Erdgeschoss nutzten.
Das Lager wurde von Colonel Burton C. Andrus geleitet, einem erfahrenen Berufsoffizier, der für seine strenge, aber korrekte Amtsführung bekannt war. Andrus, stets in makelloser Uniform mit lackiertem Helm und Offiziersstab, machte keinen Unterschied zwischen militärischen und zivilen Gefangenen – alle wurden als potenzielle Kriegsverbrecher behandelt.

Die Sicherheitsmaßnahmen waren rigoros. Der Zugang zum Lager war so streng reglementiert, dass ein Sergeant am Eingang scherzhaft bemerkte, man brauche „einen Passierschein von Gott – und jemanden, der die Unterschrift bestätigt“. Selbst prominente Besucher wie die Journalistin Erika Mann, die für die Zeitschrift „Liberty“ berichtete, benötigten spezielle Genehmigungen.
Trotz der strengen Bewachung hatten die Gefangenen gewisse Freiheiten, die darauf abzielten, sie für Verhöre gesprächiger zu machen. Sie durften sich innerhalb des Lagers frei bewegen, sich untereinander unterhalten und sogar den umzäunten Park nutzen, der mit Stacheldraht und Wachposten gesichert war. Diese relative Bewegungsfreiheit war strategisch gedacht. Die Alliierten hofften, dass die Gefangenen in informellen Gesprächen Informationen preisgeben würden, die bei formellen Verhören nützlich sein könnten. Fünf amerikanische Nachrichtendienstoffiziere, darunter John Ernest Dolibois, ein gebürtiger Luxemburger, der später US-Botschafter in Luxemburg wurde, führten regelmäßig Befragungen durch. Dolibois, als „Welfare Officer“ getarnt, sammelte durch seine Gespräche mit den Gefangenen wertvolle Erkenntnisse. Die Fragen basierten auf Fragebögen der United Nations War Crimes Commission und zielten darauf ab, die Strukturen und Verbrechen des NS-Regimes zu erhellen.

Ein bemerkenswerter Aspekt des Lagers war die anfängliche Frage, wie mit den Bediensteten der hochrangigen Gefangenen umzugehen sei. Als Wilhelm Keitel mit seinem Adjutanten und einem Ordonnanzoffizier eintraf, stellte sich die Frage, ob solche Gefangenen weiterhin Anspruch auf persönliche Betreuung hatten. Der erste Lagerkommandant, Captain Herbert Sensenig, erlaubte zunächst, dass sechs Generäle oder Admirale einen Ordonnanzoffizier behalten durften, da viele der Gefangenen ein selbstständiges Leben ohne praktische Unterstützung nicht mehr gewohnt waren. Doch als General Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der Alliierten in Europa, davon erfuhr, ordnete er an, dass die Gefangenen ihre täglichen Aufgaben wie das Aufräumen ihrer Zimmer oder die Pflege ihrer Kleidung selbst übernehmen mussten. Diese Entscheidung unterstrich die Absicht, die ehemaligen NS-Größen nicht nur physisch, sondern auch symbolisch zu entmachten.
Das Leben in Camp Ashcan war geprägt von einer seltsamen Mischung aus Isolation und Beobachtung. Die Gefangenen, die einst in opulenten Amtsstuben oder auf Schlachtfeldern agierten, fanden sich in einer Umgebung wieder, die sie sowohl an ihre ehemalige Macht als auch an ihre jetzige Ohnmacht erinnerte.

Die Verhöre waren intensiv, doch die Alliierten achteten darauf, die Gefangenen nicht zu misshandeln, da ihre Aussagen für die anstehenden Prozesse von zentraler Bedeutung waren. Die Insassen zerfielen in verschiedene Gruppen. Manche, wie Göring, versuchten, ihre Autorität zu bewahren, während andere, wie Streicher, isoliert und verachtet blieben. Die psychologischen Dynamiken zwischen den Gefangenen boten den Verhörern zusätzliche Einblicke in die Hierarchien und Konflikte des NS-Regimes.
Am 10. August 1945 wurden die Gefangenen nach Nürnberg überstellt, wo die Hauptkriegsverbrecherprozesse vorbereitet wurden. Camp Ashcan wurde kurz darauf, vermutlich im September 1945, aufgelöst. Das Palace Hotel diente noch einige Jahrzehnte als Hotel, bevor es 1988 abgerissen wurde, um Platz für ein modernes Thermalbad zu machen. Doch die kurze, aber intensive Geschichte von Camp Ashcan bleibt ein faszinierendes Kapitel des Zweiten Weltkriegs. Es war ein Ort, an dem die Mächtigen des NS-Regimes ihrer Verantwortung gegenüberstanden, ein Ort, der die Übergangsphase zwischen Krieg und Gerechtigkeit symbolisierte.

Die strenge Organisation, die strategischen Verhöre und die symbolische Entmachtung der Gefangenen machten Camp Ashcan zu einem einzigartigen Schauplatz in der Geschichte der Nachkriegszeit.

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