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Damals

Lutz Eigendorf-Neue Erkenntnisse über den Ausnahmefußballer

Quellen: BStU, 1.FC Kaiserslautern 

Titelbild: Liebers/Peter Wikipedia 

Lutz Eigendorf  war einer der vielversprechendsten Fußballspieler der DDR, dessen Leben und Tod bis heute von Mysterien und Spekulationen umwoben sind. Als Defensivspieler des BFC Dynamo, dem Lieblingsclub des Stasi-Chefs Erich Mielke, und sechsmaliger DDR-Nationalspieler galt Eigendorf als „Beckenbauer des Ostens“, ein Talent mit enormem Potenzial, das die Hoffnungen des DDR-Fußballs verkörperte. Seine Flucht in den Westen im März 1979 und sein rätselhafter Tod vier Jahre später bei einem Autounfall machen seinen Fall zu einem der meistdiskutierten der deutsch-deutschen Geschichte.

Neue Erkenntnisse, insbesondere aus jüngeren Recherchen und Stasi-Akten, werfen weiterhin Fragen auf, ob sein Tod ein Unfall oder ein gezielter Mord war, während konkrete Beweise nach wie vor fehlen. Eigendorfs Karriere begann früh, als er 1964 bei der BSG Motor Süd Brandenburg mit dem Fußballspielen startete. Sein Vater, ein Diplom-Sportlehrer, förderte ihn intensiv, und ab 1970 besuchte Eigendorf die renommierte Kinder- und Jugendsportschule „Werner Seelenbinder“ in Ost-Berlin, wo er in die Nachwuchsabteilung des BFC Dynamo aufgenommen wurde. Dort entwickelte er sich schnell zu einem technisch versierten, zweikampfstarken und antrittsschnellen Spieler. Bereits 1974, im Alter von 18 Jahren, debütierte er in der Oberligamannschaft des BFC und bestritt bis 1979 insgesamt 100 Oberligaspiele, in denen er sieben Tore erzielte.

Sein internationales Debüt für die DDR-Nationalmannschaft folgte am 30. August 1978 gegen Bulgarien, wo er beide Tore beim 2:2-Unentschieden erzielte. Insgesamt absolvierte er sechs Länderspiele und erzielte drei Tore, was seine Bedeutung für den DDR-Fußball unterstrich. Doch hinter der Fassade des Erfolgs wuchs in Eigendorf der Wunsch nach einem Leben jenseits der DDR und ihrer Überwachungsstrukturen. Am 20. März 1979 nutzte Eigendorf ein Freundschaftsspiel des BFC Dynamo gegen den 1. FC Kaiserslautern, um in den Westen zu flüchten. Während eines Einkaufsbummels in Gießen sprang er in ein Taxi und kehrte nach Kaiserslautern zurück, wo er beim 1. FC Kaiserslautern Unterschlupf fand.

Diese Flucht war ein schwerer Schlag für die DDR, insbesondere für Erich Mielke, der den BFC Dynamo wie einen persönlichen Prestigeclub führte. Eigendorf wurde als „Vaterlandsverräter“ gebrandmarkt, und die Stasi setzte umfangreiche Maßnahmen gegen ihn und seine Familie in Gang. Seine Frau Gabriele und die gemeinsame Tochter Sandy, die in Ost-Berlin zurückblieben, wurden unter ständige Überwachung gestellt.

Ein „Romeo“-Agent wurde auf Gabriele angesetzt, um sie zu einer Scheidung zu bewegen, die 1979 vollzogen wurde. Eigendorf selbst wurde im Westen von bis zu 50 Stasi-Agenten beobachtet, die jeden seiner Schritte dokumentierten.Im Westen musste Eigendorf zunächst eine einjährige Sperre durch die FIFA hinnehmen, da die DDR eine längere Sperre gefordert hatte. Während dieser Zeit arbeitete er als Aushilfe in der Geschäftsstelle des 1. FC Kaiserslautern, erwarb einen Trainerschein und trainierte die B-Jugend, die ihn später als einen ihrer besten Trainer lobte. Ab April 1980 spielte er in der Bundesliga, absolvierte 53 Ligaspiele, vier Pokalspiele und zehn UEFA-Cup-Spiele für Kaiserslautern. 1982 wechselte er zu Eintracht Braunschweig, doch seine sportliche Karriere konnte nicht an die Erfolge in der DDR anknüpfen, unter anderem wegen Verletzungen und der psychischen Belastung durch die Stasi-Überwachung. Seine DDR-kritischen Interviews, darunter eines direkt vor der Berliner Mauer, provozierten das Regime zusätzlich. Eigendorf lebte ein Leben im Rampenlicht, genoss den westlichen Lebensstil mit einem italienischen Sportwagen und heiratete 1982 erneut, woraus ein Sohn hervorging. Am Abend des 5. März 1983 wurde Eigendorf zuletzt lebend in der Braunschweiger Kneipe „Cockpit“ gesehen, wo er mit seinem Fluglehrer Manfred Müller ein oder zwei Bier trank. Gegen 23 Uhr prallte sein Alfa Romeo auf regennasser Straße gegen einen Baum. Mit schweren Kopf- und Brustverletzungen starb er zwei Tage später im Krankenhaus. 

Die Obduktion ergab einen Blutalkoholspiegel von 2,2 Promille, obwohl Zeugen beteuerten, dass Eigendorf nüchtern gewirkt habe. Die Umstände des Unfalls – ein entgegenkommender LKW, der ihn angeblich mit Fernlicht blendete, und das Fehlen einer vollständigen Obduktion – nährten sofort Spekulationen über eine Beteiligung der Stasi. Nach der Wende verstärkten sich diese durch Funde in den Stasi-Akten. Begriffe wie „Verblitzen“, „Narkosemittel“ und „Personengefährdungen“ tauchten in Verbindung mit Eigendorfs Namen auf, ebenso wie eine Notiz über Sonderprämien für Stasi-Mitarbeiter am Tag seines Todes. Besonders brisant war die Aussage des ehemaligen Stasi-IM Karl-Heinz Felgner alias „Klaus Schlosser“ im Jahr 2010, der vor Gericht angab, einen Mordauftrag erhalten, aber nicht ausgeführt zu haben.

Die Dokumentation „Tod dem Verräter“ von Heribert Schwan, ausgestrahlt im Jahr 2000, und weitere Recherchen, wie die des Historikers Andreas Holy, verstärkten die Mordtheorie. Schwan fand Hinweise auf Pläne, Eigendorf zu vergiften oder durch „Verblitzen“ zu töten, doch konkrete Beweise fehlten. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüfte 2011 eine Wiederaufnahme der Ermittlungen, schloss den Fall jedoch mangels objektiver Beweise für ein Fremdverschulden. Kritiker wie Holy werfen der Justiz vor, die politische Dimension des Falls unterschätzt und die Ermittlungen zu schnell eingestellt zu haben. Andere Experten halten die Mordtheorie für unplausibel, da ein überlebender Eigendorf das Risiko für die DDR erhöht hätte, und weisen auf fehlende oder vernichtete Stasi-Akten hin.

Neuere Erkenntnisse, etwa aus einem 2023 erschienenen Artikel des 1. FC Kaiserslautern, betonen die Tragik von Eigendorfs Leben, das die Teilung Deutschlands widerspiegelt. Seine Flucht, die ihn von seiner Familie trennte, und die ständige Bedrohung durch die Stasi prägten sein Leben im Westen. Jörg Berger, ein weiterer DDR-Flüchtling, warnte Eigendorf vor der Rache des Regimes, doch Eigendorfs Offenheit und Provokationen machten ihn verwundbar. Die Sporthistorikerin Jutta Braun hebt hervor, dass Eigendorfs Flucht für Mielke eine persönliche Demütigung war, da der BFC Dynamo sein Prestigeprojekt war. Trotz tausender Ermittlungsakten und Stasi-Dokumente bleibt der Fall ungelöst. Die Vermutung, dass Eigendorf gezielt eliminiert wurde, hält sich, doch ohne neue Beweise bleibt sein Tod ein Mahnmal für die dunklen Machenschaften der DDR und ein ungelöstes Kapitel der Fußballgeschichte.

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