Um die Tragweite dieser Drohung zu verstehen, muss man zunächst den Kontext betrachten, in dem sie fiel. Die Suspendierung von Jimmy Kimmel folgte auf einen Skandal um den Tod des konservativen Aktivisten Charlie Kirk, dessen Ermordung Kimmel in seiner Sendung satirisch kommentierte und dabei andeutete, dass Rechte den Vorfall politisch instrumentalisieren würden. Der FCC-Vorsitzende Carr reagierte prompt mit Androhungen regulatorischer Maßnahmen gegen ABC, ein Tochterunternehmen von Disney, und lokale Sendergruppen wie Nexstar drohten, die Ausstrahlung der Show einzustellen. Innerhalb von Stunden capitulierte ABC und zog die Sendung „unbefristet“ aus dem Programm. Trump feierte dies als Erfolg und erweiterte den Angriff auf die gesamte Branche: „Wenn du ein Netzwerk hast und Abendshows, die nichts anderes tun, als Trump zu treffen – das ist alles, was sie tun –, dann sind sie lizenziert. Sie dürfen das nicht tun. Sie sind ein Arm der Demokratischen Partei.“ Hier wird klar, dass es nicht um spezifische Verstöße gegen Regulierungen geht, sondern um eine ideologische Säuberung.
Diese Taktik ist kein Novum in Trumps Repertoire, sondern eine Wiederholung und Verschärfung von Drohungen, die er seit seiner ersten Amtszeit 2017 äußert. Damals twitterte er gegen NBC und andere, ihre Lizenzen wegen „Fake News“ herauszufordern, und verglich die Medien mit dem „Volkfeind Nr. 1“. In den Monaten vor der Wahl 2024 forderte er explizit, dass CBS seine Lizenz verliert, weil „60 Minutes“ ein Interview mit Kamala Harris bearbeitet hatte – eine Handlung, die das Magazin als standardmäßig abtat. Trump verklagte Sender, drohte mit Haftstrafen für Journalisten und nutzte die FCC, um Fusionen wie die von Paramount mit Skydance zu beeinflussen, indem er Klagen fallen ließ, im Tausch gegen redaktionelle „Wachhunde“ und Rücknahmen von Diversitätsinitiativen. Selbst Social-Media-Giganten wie Meta wurden bedroht, was zu einer Einstellung von Faktenchecks führte. Diese Muster spiegeln autoritäre Ansätze wider, wie sie Viktor Orbán in Ungarn praktiziert. Feindseligkeit gegenüber der Presse als Markenzeichen, kombiniert mit der Aneignung des Begriffs „Fake News“, um Kritiker zu delegitimieren. In Ungarn hat Orbán unabhängige Medien durch regulatorischen Druck und Staatsgelder gezähmt; Trump scheint einen ähnlichen Weg einzuschlagen, indem er loyale Figuren wie Carr einsetzt, der auf Fox News ankündigte, dass der Fall Kimmel „nicht der letzte Schuh ist, der fällt“ und „Konsequenzen weiterfließen werden“.
Der Begriff „Gleichschaltung“, der hier unausweichlich assoziiert wird, stammt aus der NS-Zeit und beschreibt die brutale Angleichung aller gesellschaftlichen Institutionen – einschließlich Presse und Rundfunk – an die Ideologie der herrschenden Partei. Unter Joseph Goebbels als Propagandaminister wurden Zeitungen und Sender enteignet, Journalisten entlassen und Inhalte zentral gesteuert, um abweichende Stimmen zu ersticken. Trump, der wiederholt Hitler-Rhetorik übernommen hat – von „Vermischung“ bis hin zu Massenabschiebungen –, evoziert mit seiner Lizenzdrohung eine vergleichbare Dynamik Die Medien sollen nicht mehr als vierte Gewalt fungieren, sondern als verlängerter Arm der Exekutive. Die bloße Androhung reicht bereits, um Selbstzensur zu erzeugen; Medienkonzerne, abhängig von Lizenzen und Fusionen, zögern, sich zu wehren. Die Associated Press wurde kürzlich vom Weißen Haus ausgeschlossen, weil sie den Golf von Mexiko nicht in „Golf von Amerika“ umbenannte, eine absurde Umbenennung per Executive Order. Prominente Kritiker wie Barack Obama warnen vor „einem neuen und gefährlichen Level der Cancel Culture durch staatliche Zwänge“, während FCC-Kommissarin Anna Gomez betont, dass die Behörde keine verfassungsmäßige Grundlage habe, Lizenzen wegen Inhalts zu entziehen. Dennoch: Die Drohung allein verändert das Verhalten, wie die schnelle Kapitulation bei Kimmel zeigt.
Diese Entwicklung wirft tiefe Schatten auf die Demokratie in den USA. Die Pressefreiheit, verankert im Ersten Verfassungszusatz, ist das Bollwerk gegen Willkür; sie erlaubt es, Machthaber zu hinterfragen, ohne Furcht vor Repressalien. Trumps Ansatz untergräbt dies, indem er regulatorische Hebel als Waffe einsetzt – ein Muster, das nicht nur Journalisten, sondern auch Komiker, Podcaster und lokale Sender trifft. Es fördert eine Kultur der Anpassung, in der Berichterstattung nicht von Fakten, sondern von Loyalität abhängt. Kritiker aus dem gesamten Spektrum, von der NAB (National Association of Broadcasters) bis zu Verfassungsrechtlern wie Ted Boutrous, warnen, dass selbst seltene Anwendungen solcher Macht die Pressefreiheit nachhaltig schädigen. Trumps Unterstützer mögen dies als notwendige Gegenwehr gegen „linke Bias“ sehen, doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Es geht um Kontrolle, nicht um Ausgleich. In einer Zeit, in der Desinformation bereits die Gesellschaft spaltet, beschleunigt diese Drohung den Verfall zu einem System, in dem Wahrheit zur Nebensache wird und nur die genehme Narrative überleben.
Die internationale Resonanz ist alarmierend: Europäische Medien wie die BBC und France 24 vergleichen Trumps Schritte mit globalen Autokraten, und selbst konservative Stimmen in den USA, wie in Reddit-Diskussionen unter Trump-Anhängern, ringen mit der Frage, ob dies noch Freiheit oder bereits Zensur ist. Die FCC selbst ist gespalten; die demokratische Minderheit appelliert an den Kongress, während republikanische Mehrheiten schweigen. Letztlich stellt sich die Frage: Wie weit darf ein Präsident gehen, um Kritik zu unterdrücken, ohne die Grundfesten der Republik zu erschüttern? Trumps Lizenzdrohung ist ein Weckruf – nicht nur für Journalisten, sondern für alle, die an einer offenen Gesellschaft festhalten. Ohne Gegenwehr könnte die Gleichschaltung, die einst in Deutschland begann, in den USA als schleichende Normalität enden, getarnt als Schutz vor „Fake News“. Die Geschichte lehrt uns. Solche Prozesse beginnen mit Worten, aber sie münden in Taten, die Generationen belasten. Es ist Zeit, dass Institutionen, Gerichte und Bürger handeln, bevor die Frequenzen der Freiheit verstummen.
