Frankreich

Novembernacht des Terrors in Paris

Titelbild: BENOIT PEYRUCQ AFP
Diese Gerichtsskizze vom 27. Juni 2022 zeigt den Angeklagten Salah Abdeslam (r.) neben den 13 anderen Angeklagten vor dem Pariser Strafgericht während des Prozesses zu den Anschlägen vom November 2015, bei denen 130 Menschen im Stade de France in Saint-Denis, in Bars, Restaurants und in der Konzerthalle Bataclan in Paris getötet wurden. Das Ende einer langwierigen Anhörung nach zehnmonatigen Debatten. Im Prozess um die Anschläge vom 13. November verließ das Pariser Strafgericht die Verhandlung, nachdem es den Angeklagten am 27. Juni 2022 ein letztes Mal das Wort erteilt hatte. Die Urteilsverkündung wird für den 29. Juni 2022 erwartet. (Foto von Benoit PEYRUCQ / AFP)

Paris, Frankreich

Erst dachten sie, jemand habe Knallkörper gezündet. Dann verstummten sie vor Entsetzen, als sie sahen, dass Angreifer kaltblütig auf Menschen schossen. So beschrieben Überlebende der Pariser Anschläge vom 13. November 2015 ihre ersten Reaktionen. Bei den schlimmsten Anschlägen in der Geschichte Frankreichs wurden 130 Menschen getötet und 350 weitere verletzt – am Mittwoch stehen nun im Pariser Mammutprozess dazu die Urteile an.

Drei Gruppen von Islamisten griffen am 13. November 2015 nahezu zeitgleich in und um Paris an: erst an einem Fußballstadion in Saint-Denis im Norden von Paris, dann in einem Pariser Ausgehviertel und schließlich im Konzertsaal Bataclan, in dem gerade eine Heavy-Metal-Band auftrat.

Im Stade de France spielten gerade Frankreich und Deutschland gegeneinander, im Publikum saßen auch der französische Präsident François Hollande und der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Beide dachten an Feuerwerkskörper, als sie die ersten Explosionen hörten.

Das Spiel wurde zunächst fortgesetzt, um Panik zu vermeiden. Wären die Selbstmordattentäter früher gekommen oder ins Stadion eingedrungen, hätte es noch deutlich mehr Opfer gegeben. Die deutsche Nationalmannschaft musste aus Sicherheitsgründen schließlich die ganze Nacht im Stadion ausharren.

Es war ein ungewöhnlich milder Novemberabend und die Terrassen der Bars und Cafés im Pariser Zentrum waren gut besetzt. Die Attentäter kamen dort in einem Auto angefahren, stiegen aus, feuerten wahllos in die Menge, fuhren weiter, feuerten erneut. Sie hätten kaltblütig und entschlossen gewirkt, berichteten Überlebende in dem Ausgehviertel später.

Einer der Drahtzieher, Ibrahim Abdeslam – der Bruder von Salah Abdeslam, dem Hauptangeklagten des Pariser Prozesses – sprengte sich schließlich in die Luft. Da sein Sprengstoffgürtel nur zum Teil zündete, riss er niemanden mit in den Tod.

„Kiss the devil“ spielte etwa zur gleichen Zeit die Heavy-Metal-Band „Eagles of Death Metal“ in der gut besuchten Konzerthalle Bataclan, als eine weitere Gruppe Angreifer den Saal stürmte. Einige Konzertbesucher dachten zunächst an eine makabre Inszenierung. Doch dann hörte die Musik auf, die Lichter wurden angeschaltet, die ersten Opfer sackten zusammen.

Der Überlebende Thomas Smette hörte einen der Islamisten brüllen: „Das ist für unsere Brüder in Syrien!“ Andere berichteten, dass es nach Blut und Rauch gerochen habe. Zwei Stunden lang hielten die Angreifer mehrere Geiseln in ihrer Gewalt. Schließlich griffen Spezialkräfte ein und schafften es, die Geiseln zu befreien.

Die Ermittler konnten die Nacht der Gewalt im Bataclan später auch deswegen akribisch rekonstruieren, weil sie eine Tonaufnahme fanden. Demnach waren binnen einer halben Stunde 258 Schüsse gefallen.

Auf Bürgersteigen und in Hinterhöfen in der Nähe kümmerten sich Rettungshelfer um die Opfer. Präsident Hollande ließ die Grenzen schließen und rief den Notstand aus, was seit dem Algerienkrieg vor mehr als 50 Jahren in Frankreich nicht vorgekommen war.

Von den zehn Tätern starben sieben noch in der Terrornacht, durch Sprengstoffgürtel oder von Spezialkräften erschossen. Zwei weitere wurden einige Tage später getötet, als die Polizei sie in Saint-Denis im Norden von Paris aufspürte.

Dem einzigen noch lebenden Mitglied der Terrorkommandos, Salah Abdeslam, gelang die Flucht nach Belgien. Im März 2016 wurde er im Brüsseler Vorort Molenbeek festgenommen und später nach Frankreich ausgeliefert. Dort muss er sich seit September 2021 in dem größten Prozess, den Frankreich je erlebt hat, vor Gericht verantworten. Am Mittwoch sollen die Urteile gegen ihn und weitere Angeklagte fallen.

kol/jes

© Agence France-Presse

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