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Helmut Schmidt- 10. Todestag des Machers

Titelbild: Helmut Schmidt,1977, Hans Schafgans

Zehn Jahre nach dem Tod Helmut Schmidts, der am 10. November 2015 im Alter von 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg verstarb, ragt die Figur dieses Sozialdemokraten als eine der prägendsten und zugleich umstrittensten in der deutschen Nachkriegsgeschichte hervor – ein Mann, der als „Kanzler aller Kanzler“ gefeiert wurde, weil er in Zeiten multipler Krisen eine Autorität ausstrahlte, die über Parteigrenzen hinweg respektiert wurde, doch gerade diese Aura der Unfehlbarkeit lädt zu einer kritischen Betrachtung ein, die seine Erfolge nicht leugnet, aber ihre Schattenseiten und die Mythenbildung um seine Person schonungslos beleuchtet.
Schmidt, der von 1974 bis 1982 das Amt des Bundeskanzlers innehatte, trat in einer Ära an, die von wirtschaftlicher Stagnation, Ölpreisschocks und dem Höhepunkt des Kalten Krieges geprägt war; er beerbte Willy Brandt mitten in der Guillaume-Krise und stabilisierte die Regierung durch eine Koalition mit der FDP, doch diese Stabilität erkaufte er sich mit einer pragmatischen Politik, die oft als kalte Realpolitik kritisiert wurde – ein Pragmatismus, der ihn zu Entscheidungen trieb, die langfristig die soziale Marktwirtschaft aushöhlten und die SPD in eine Identitätskrise stürzten.
Schmidts wirtschaftspolitische Bilanz ist ambivalent. Als ehemaliger Senator für Inneres in Hamburg und Verteidigungsminister unter Brandt brachte er eine hanseatische Disziplin und ein tiefes Verständnis für globale Ökonomie mit, was ihm half, die Folgen der Ölkrise 1973/74 zu managen; er setzte auf Konjunkturprogramme, die die Arbeitslosigkeit zunächst dämpften, und etablierte den Weltwirtschaftsgipfel, den Vorläufer des G7, um internationale Koordination zu fördern – Maßnahmen, die Deutschland als Exportnation stärkten und zu einem Wachstumsschub in den späten 1970er Jahren beitrugen. Kritiker werfen ihm jedoch vor, dass diese Politik auf Kosten der Schwächeren ging. Die Einführung von Lohnzurückhaltung und die Akzeptanz steigender Arbeitslosigkeit – die 1982 auf über eine Million anstieg – markierten den Beginn einer neoliberalen Wende in der SPD, die unter Schmidt von keynesianischen Idealen abrückte und den Weg für die Agenda 2010 unter Gerhard Schröder ebnete; er ignorierte die wachsenden Ungleichheiten, priorisierte die D-Mark-Stabilität über soziale Absicherung und ließ die Gewerkschaften, einst Kern der Sozialdemokratie, im Stich, was zu innerparteilichen Spaltungen führte und die Basis der Partei entfremdete.
Schmidt selbst, ein Kettenraucher mit scharfem Intellekt, verkörperte diese Distanz zur Basis – ein Elitedenker, der in Interviews und Reden die „Modell Deutschland“-These propagierte, doch diese Modellvorstellung basierte auf einer technokratischen Arroganz, die gesellschaftliche Konflikte als Störfaktoren abtat und die aufkommende Umweltbewegung, etwa die Anti-Atomkraft-Proteste, als naiv abtat. Im Bereich der Sicherheitspolitik wird Schmidt oft als der harte Krisenmanager gefeiert, insbesondere im Herbst 1977 während der RAF-Terrorwelle. Die Entführung Hanns Martin Schleyers und die Landshut-Entführung kulminierten in der Stammheim-Nacht, und Schmidts Entscheidung, die GSG 9 einzusetzen und keine Verhandlungen mit den Terroristen zu führen, rettete die Geiseln in Mogadischu und demonstrierte Entschlossenheit – ein Akt, der ihm den Ruf eines „Staatsmanns“ einbrachte und die Bundesrepublik als wehrhafte Demokratie stärkte.
Doch kritisch betrachtet war dies eine Politik der Eskalation.
Schmidt baute den Sicherheitsapparat massiv aus, förderte Überwachungsmaßnahmen und den Rasterfahndung, die nicht nur Terroristen trafen, sondern auch die Bürgerrechte einschränkten; seine Haltung, die RAF als existentiale Bedrohung zu stilisieren, diente auch der Disziplinierung der Linken und rechtfertigte eine autoritäre Wende, die in der Nachwendezeit zu Misstrauen gegenüber dem Staat beitrug. Zudem war Schmidt ein entschiedener Atlantiker: Seine Unterstützung für den NATO-Doppelbeschluss 1979, der Mittelstreckenraketen in Europa stationieren sollte, um auf die sowjetischen SS-20 zu reagieren, spaltete die Friedensbewegung und die SPD tief; er sah den Frieden in der Abschreckung, doch Kritiker wie die Grünen warfen ihm vor, den Kalten Krieg zu verlängern und die Entspannungspolitik Brandts zu verraten – eine Politik, die zwar den Frieden in Europa sicherte, aber auf Kosten eines Wettrüstens ging, das Milliarden verschlang und die Dritte Welt ignorierte.
Persönlich war Schmidt ein Mann der Widersprüche. Geboren 1918 in Hamburg, überlebte er als Wehrmachtsoffizier den Zweiten Weltkrieg, distanzierte sich früh vom Nationalsozialismus und wurde zu einem überzeugten Europäer, der die EG-Stärkung vorantrieb; seine Ehe mit Loki, seiner Jugendliebe, die 2010 starb, und seine intellektuellen Neigungen – von Bach bis zur Philosophie – machten ihn zu einem Kultfigur. Doch diese Kultstatus nährt eine Hagiografie, die seine Fehler kaschiert. Schmidt war ein Macho der alten Schule, der Frauen in der Politik marginalisierte, ein Zyniker, der in seinen Memoiren die Jugend von 1968 als „Chaoten“ verspottete, und ein Raucher, der bis zuletzt die Gefahren bagatellisierte. Zehn Jahre nach seinem Tod, in einer Zeit, in der Deutschland mit neuen Krisen wie Klimawandel, Migration und geopolitischen Spannungen ringt, wirkt Schmidts Vermächtnis doppelt.
Er lehrte, dass Krisenmanagement Disziplin erfordert, doch seine technokratische Kälte warnt vor der Entfremdung von der Gesellschaft; er war kein Kanzler aller Kanzler im Sinne der Unfehlbarkeit, sondern ein Produkt seiner Zeit – brillant in der Analyse, fehlerhaft in der Empathie, und letztlich ein Mahner, dass Pragmatismus ohne Vision zur Stagnation führt. In einer polarisierten Gegenwart, wo Populismus aufsteigt, bleibt Schmidt eine Referenz für rationale Politik, doch eine kritische Auseinandersetzung enthüllt, dass sein Erbe nicht nur Vorbild, sondern auch Warnung ist. Die Stabilität, die er schuf, erkaufte sich mit Kompromissen, die die Demokratie langfristig schwächten.

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