In den Straßen und Debatten Hamburgs hallt noch der Widerhall des kürzlich gefällten „Hamburger Zukunftsentscheids“ nach, jenes Volksentscheids von gestern, der mit knapper Mehrheit von 53,1 Prozent – das sind rund 303.000 Ja-Stimmen – beschlossen hat, dass die Hansestadt bereits bis 2040 klimaneutral werden soll, fünf Jahre früher als im bisherigen Klimaschutzgesetz vorgesehen. Dieser Meilenstein, angestoßen von der Klimabewegung Fridays for Future und unterstützt von über 160 Organisationen wie dem BUND, Greenpeace, der Gewerkschaft ver.di, dem FC St. Pauli und sogar kulturellen Institutionen wie der Kunsthalle, markiert einen radikalen Beschleunigungsversuch in einer Zeit, in der die Klimakrise nicht mehr abstrakt, sondern greifbar scheint. Überschwemmungen, Hitzewellen und steigende Meeresspiegel bedrohen genau jene Hafenstadt, die seit jeher vom globalen Handel lebt. Doch während Befürworter jubeln und von einem „historischen Sieg für zukünftige Generationen“ sprechen, werfen Kritiker aus Politik und Wirtschaft einen langen Schatten auf die Euphorie, indem sie vor einer Kaskade negativer Konsequenzen warnen, die den sozialen und wirtschaftlichen Stoffgewebe der Stadt zerreißen könnten. Die Debatte dreht sich um teure Sanierungen, Jobverluste und einen potenziellen Standortnachteil, der Hamburgs Rolle als pulsierender Wirtschaftsmotor Europas gefährden könnte – und all das entzündet sich an den Flammen einer Bewegung, die von Greta Thunbergs Aufruf zu globalen Schulstreiks ausging und nun in Kontroversen um Solidarität mit Palästinensern und radikale Protestformen wie das Kleben von Aktivisten an Asphalt und Kunstwerken mündet.Der Kern des Zukunftsentscheids liegt in einer verbindlichen Jahresobergrenze für CO2-Emissionen, die den Senat zwingt, bei Nichteinhaltung binnen fünf Monaten ein Sofortprogramm zu erlassen, und einem überarbeiteten Klimaplan bis spätestens 2027. Das bedeutet in der Praxis einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien, flächendeckende Tempo-30-Zonen, den Umbau des öffentlichen Nahverkehrs mit mehr Zügen und Bussen, sowie den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Heizsystemen und der Elektrifizierung des gesamten Verkehrssektors, inklusive des ikonischen Hamburger Hafens, der jährlich Millionen Tonnen Güter umschlägt. Befürworter, darunter Wissenschaftler der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und unabhängige Studien der OECD und der Handelskammer, betonen, dass dies machbar sei.
Hamburg könne durch Investitionen in Solaranlagen, grüne Fernwärme und effiziente Sanierungen nicht nur das Pariser Abkommen einhalten, sondern sogar Vorreiter werden, mit neuen Jobs in der grünen Industrie und einer Reduzierung der Energiekosten langfristig. Der FC St. Pauli, als Symbol für sozialen Aktivismus, unterstreicht in seiner Unterstützungserklärung, dass Klimaschutz kein Luxus, sondern ein Schutzschild für vulnerable Stadtteile wie Altona oder Wilhelmsburg sei, wo Armut und Umweltbelastungen sich beißen. Doch diese Vision kollidiert frontal mit den Befürchtungen der Wirtschaftsverbände, die den Entschluss als „Kostenlawine“ und „Sargnagel für die Industrie“ brandmarken. Der Industrieverband Hamburg warnt vor Produktionsverlagerungen ins Ausland, da der Ausstieg aus Erdgas und Öl in der Chemie- und Logistikbranche – Branchen, die Hamburgs Wirtschaft mit über 200.000 Arbeitsplätzen stützen – mit Technologien wie Wasserstoff oder E-Fuels einhergeht, die derzeit weder verfügbar noch skalierbar sind. Die Handelskammer Hamburg, deren Präsident Norbert Aust vor „unsicheren Rahmenbedingungen“ räsoniert, die Investitionen hemmen, schätzt zusätzliche Belastungen in Milliardenhöhe: Allein die Saga, Hamburgs größter Vermieter, müsste 1,5 Milliarden Euro mehr für energetische Sanierungen aufwenden, was zu Mietsteigerungen oder höheren Steuern führe und den Wohnungsmarkt weiter verknöcherte. Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer, spricht von einer „Bärendienst“ für die Klimawende, da die Akzeptanz in der Bevölkerung sinke, während CDU-Fraktionschef Dennis Thering von „steigenden Mieten, Jobverlusten und Fahrverboten“ wettert, die den sozialen Zusammenhalt zerstören könnten. SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher, der die Umsetzung zwar ankündigt, sie aber als „Herausforderung“ einstuft, balanciert auf einem schmalen Grat: Sein Senat muss nun den Plan anpassen, doch die Koalition mit den Grünen wankt, da der Landesverband der Grünen den Entschluss befürwortete, während die Bürgerschaftsfraktion skeptisch blieb. Insgesamt droht Hamburg, im Wettbewerb mit anderen Metropolen wie Rotterdam oder Antwerpen zurückzufallen, wo flexiblere Übergänge den Hafen als grünes Tor Europas sichern, ohne die Wirtschaft zu strangulieren.Diese Spannungslinien im Hamburger Zukunftsentscheid sind kein isoliertes Phänomen, sondern Spiegel einer globalen Klimabewegung, die von Greta Thunberg geprägt wurde und deren Radikalisierung nun in politischen Minenfeldern kulminiert, etwa in der kontroversen Solidarität mit palästinensischen Gruppen. Thunberg, die 2018 mit ihrem ersten Schulstreik Fridays for Future ins Leben rief – eine weltweite Welle von Jugendprotesten gegen die Untätigkeit der Erwachsenenpolitiker –, hat die Bewegung von reinen Klimademos zu einem breiteren Kampf für „Systemwechsel“ transformiert, der soziale Gerechtigkeit, Antirassismus und globale Ungleichheiten umfasst.
Doch seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich FFF in einen Mahlstrom aus Vorwürfen verstrickt. Die internationale Sektion, deren Social-Media-Accounts von einer kleinen, fanatisch pro-palästinensischen Gruppe gesteuert werden, warf Israel „Genozid“ und „Apartheid“ vor, sprach von „ethnischer Säuberung“ in Gaza und einer „Gehirnwäsche“ durch westliche Medien, ohne den Terror der Hamas oder das Leid israelischer Zivilisten zu thematisieren. Thunberg selbst postete Fotos mit „Stand with Gaza“-Plakaten und Aufrufen zu Streiks in Solidarität mit Palästinensern, teilte Inhalte von Gruppen wie „Palästina Spricht“, die Slogans wie „from the river to the sea“ propagieren – eine Formulierung, die das Existenzrecht Israels in Frage stellt und als antisemitisch gilt. Solche Posts, die Thunberg später teilweise löschte und mit Verurteilungen von Antisemitismus ergänzte, lösten einen Shitstorm aus. Politiker von CDU und FDP forderten eine Abspaltung der deutschen Sektion, der Zentralrat der Juden sprach von „unerträglichen“ Haltungen, und selbst Luisa Neubauer, FFFs prominente Sprecherin in Deutschland, distanzierte sich scharf, indem sie den Hamas-Terror verurteilte und betonte, das Existenzrecht Israels sei „nicht verhandelbar“. Die deutsche FFF-Gruppe, die sich uneingeschränkt zu Jüdinnen und Juden bekannte und Antisemitismus als „Gegensatz zu allem, wofür wir kämpfen“, brandmarkte, sah sich in einer Zwickmühle: Ortsgruppen wie in Fritzlar unterstützten Thunberg sogar explizit, während der österreichische Ableger und andere internationale Zweige sich abgrenzten. Diese Spaltung schwächt die Bewegung, die einst Hunderttausende mobilisierte, nun aber riskiert, als Plattform für einseitige Narrative zu gelten, die den Fokus vom Klimaschutz ablenken und die Glaubwürdigkeit untergraben – gerade in Deutschland, wo FFF den Hamburger Volksentscheid mittrug und nun mit dem Vorwurf ringt, ob ihre Allianz mit palästinensischen Solidaritätsgruppen den Kampf gegen den Klimawandel nicht unnötig vergiftet.Gerade diese Radikalisierung mündet in die extremsten Ausdrucksformen des Protests: den sogenannten Klima-Klebern, Aktivisten der „Letzten Generation“, die sich mit Sekundenkleber – oft dem 8-Gramm-Produkt von Woolworth, das sie in speziellen Trainings mit Silikat-Füllstoffen mischen, um eine betongleiche Bindung zu erzeugen – an Straßen, Flughäfen oder Kunstwerken festkleben, um die Dringlichkeit der Klimakrise zu unterstreichen. Diese Taktik, die seit 2022 Wellen der Empörung schürt, ist kein spontaner Einfall, sondern kalkulierte Zivilen Ungehorsam: Die Kleber zielen auf maximale Störung ab, blockieren Autobahnen, Zufahrten zu Flughäfen wie Düsseldorf oder gar Produktionsstätten wie die Heidelberg Materials in Leimen, wo sie 2025 den Asphalt mit Beton-Kleber-Mischungen verfestigten und Bauarbeiter mit Flex und Bohrhammer rufen mussten, um sie samt Fahrbahn zu entfernen. In Hamburg, wo der Hafen als Lebensader pulsiert, wären solche Aktionen katastrophal – doch die Kleber sehen darin den einzigen Weg, da parlamentarische Prozesse wie der Zukunftsentscheid zu langsam seien. Ihre Forderungen umfassen ein Bürgerrats-System per Losverfahren, das die Demokratie durch direkte Klimaratgeber ersetzen soll, und einen sofortigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Kritiker wie die ehemalige Innenministerin Nancy Faeser nennen sie „gefährlich und dumm“, Politiker surfen auf Hasswellen, und Gerichte verhängen Verwarnungen oder Schadenersatzklagen, wie in Berlin mit 115.000 Euro. Die Polizei räumt sie nicht einfach sitzend, da das Kleben eine Versammlung darstellt und Präventivmaßnahmen erfordert – Lösungsmittel wie Aceton lösen den Kleber, doch bei Überdosierungen, wie in Mainz 2022, muss Asphalt geflexxt werden, was zu Spott im Netz führt: „Diebstahl von Straßenbelag für den guten Zweck“. Dennoch: Die Kleber haben die Debatte angeheizt, ihre Aktionen kontraproduktiv gemacht, da sie die öffentliche Akzeptanz für Klimaschutz mindern, ohne die Politik nachhaltig zu verändern. In Hamburgs neuem Kontext könnten sie nun als Eskalationsdrohung dienen, wenn der Senat den Plan verzögert – ein Kreislauf aus Protest und Repression, der die Wirtschaft weiter verunsichert und die Bewegung spaltet.Zusammengefasst webt sich aus diesen Fäden ein komplexes Geflecht. Der Hamburger Zukunftsentscheid verspricht Rettung vor der Klimakatastrophe, birgt aber wirtschaftliche Risiken, die Tausende Jobs und Milliarden kosten könnten, während Fridays for Future, Thunbergs Erbe, zwischen Klimakampf und geopolitischen Minenfeldern balanciert und Klima-Kleber als radikale Avantgarde die Grenzen des Sagbaren und Machbaren austesten. Hamburg steht an einem Scheideweg – ob der Entschluss zum grünen Triumph wird oder zum wirtschaftlichen Albtraum, hängt von der Balance ab, die nun Senat, Verbände und Aktivisten finden müssen, in einer Welt, wo der Planet keine Kompromisse mehr duldet.
