Titelbild: Symbolbild Pixabay Junkers W 33
Die Geschichte der Wehrsportgruppe Hoffmann, kurz WSG Hoffmann, liest sich wie ein düsteres Kapitel aus der Unterwelt des deutschen Rechtsextremismus der 1970er und frühen 1980er Jahre, ein Netzwerk aus paramilitärischem Training, rassistischer Propaganda und ungezügelter Gewaltbereitschaft, das sich nahtlos in die Strukturen der Neonazi-Szene einfügte und bis heute als Mahnung vor den Folgen ungebremster Hetze dient.
Gegründet 1973 vom Nürnberger Neonazi Karl-Heinz Hoffmann, einem Mann mit einer langen Ahnenreihe an NS-Verbindungen, der sich selbst als Erbe des Stahlhelm, der Schwarzen Reichswehr sah und später als Söldnervermittler für das rassistische Regime in Rhodesien und Südafrika agierte, wuchs die Gruppe rasch zu einer der einflussreichsten rechtsextremen Organisationen der Bundesrepublik an, mit bis zu 400 Mitgliedern, die in streng hierarchischen Einheiten paramilitärische Übungen abhielten, Waffen horteten und eine Weltanschauung pflegten, die auf rassischer Reinheit, Antisemitismus und der Vorbereitung auf einen angeblichen „Rassenkrieg“ basierte.
Ihr Herzstück wurde ab 1978 das Schloss Ermreuth bei Erlangen, ein malerisches, aber gespenstisches Anwesen, das Hoffmann für 200.000 Mark erwarb und in eine Festung der Ideologie umwandelte.
Hier lagerten Handgranaten, Karabiner, Pistolen, sogar eine Zweizentimeter-Flak und ein defekter Schützenpanzer neben Propagandamaterialien, Hitler-Büsten und Stahlhelmen, während ausländische Neonazis aus aller Welt zu Wehrsportkursen eintrudelten und die Luft von Parolen widerhallte, die den Holocaust leugneten und jüdische Einflüsse als die Wurzel allen Übels brandmarkten.
Dieses Schloss, einst ein Symbol adliger Pracht, mutierte unter Hoffmanns Regentschaft zu einem Hort des Hasses, wo „deutsche Helden“, wie die Szene ihre Kämpfer nannte, nicht nur trainierten, sondern auch Waffen erwarben und sich auf reale Konfrontationen vorbereiteten, finanziert durch ein raffiniertes System aus Spendenaufrufen, die in der Untergrundpresse kursierten und Appelle an „volksbewusste“ Spender richteten, um Munition, Bajonette und Geländefahrzeuge zu beschaffen – ein Kreislauf aus Geld und Gift, der die Gruppe bis zu ihrem Verbot im Januar 1980 am Leben hielt. So soll Hoffmann bei dem Waffendepot von Förster Heinz Lembke in der Lüneburger Heide Ausrüstung bezogen haben. Wie auch andere Wehrsportgruppen dieser Tage.
Doch der Freundeskreis der Wehrsportgruppe Hoffmann, 1976 von Hoffmann ins Leben gerufen, stellte das unsichtbare Rückgrat dieses Systems dar, ein lockeres, aber effektives Netzwerk aus Sympathisanten, zu denen auch wie der Verbund von zahlreichen anderen damaligen Wehrsportgruppen, der Bremer Verlag des später als Wieland Körner bekannten Wieland Soyka gehörte.
Soyka wiederum stammte aus einer Familie, die tief in den alten und neuen Rechtsextremismus verwurzelt war.
Sein Vater, Prof. Dr. Walther Soyka, war ein angesehener Dozent an der Universität Bremen und gleichzeitig enger Freund und Weggefährte des militanten Neonazis Manfred Roeder – jenes „Reichsredners“, der in den 1970er- und 1980er-Jahren Bombenanschläge organisierte, wegen „Volksverhetzung“ und „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ mehrfach verurteilt wurde und der am Ende seines Lebens einer der wichtigsten ideologischen und persönlichen Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) war, dem er bis zu seinem Tod 2014 Briefe, Geld und propagandistische Texte zukommen ließ. Soyka Senior war stolz auf seine ehemalige SS Mitgliedschaft und auch sein Sohn verfügte über Kontakt zu Förster Lembke um das Jahr 1979- 80, wie aus der Post hervorging.
So fand sich in dem Keller des Anwesens in Bremen Huchting ein Schreiben an den ehemaligen SS- Angehörigen Otto Ernst Remer, der den Putsch vom 20. Juli 1944 niederschlug und danach bei Franco in Marbella Asyl suchen musste, wie man militante Gruppen aufstellen könnte, um AKW- Gegner zu unterstützen. Er verstarb 1997 in der spanischen Stadt.
Über den AKW-Gegner Walther Soyka floss in den 1970er-Jahren nicht nur akademisches Renommee, sondern auch ein Teil des alten Kadernetzwerks der NSDAP-APO und der „Deutschen Aktionsgruppen“ direkt in den Verlag des Sohnes in Bremen-Huchting.
Soyka junior war in den 1980er- und 1990er-Jahren eng mit dem promovierten Verwaltungsjuristen Wolfgang Peter M. verbunden, der in Hannover tätig war und sich zunächst als geistiger Mentor und stiller Finanzier Soykas verstand – ein Mann, der mit akribischer juristischer Präzision half, Verlagsprojekte wie den „Hanse-Verlag“ oder die „Atlas & König Versandbuchhandlung“ aufzubauen, Impressen zu verschleiern und rechtliche Grauzonen auszunutzen.
Irgendwann jedoch – vermutlich Mitte der 1990er-Jahre – zerstritten sich die beiden Radikalen heillos, der Bruch war so tief, dass M. sich zurückzog und seine eigene Sammlung von Originaldokumenten mitnahm.
M. beklagte in diesem Zusammenhang einen folgenschweren Brandanschlag auf sein Anwesen in Bremen Huchting durch die Antifa Anfang des Jahrtausends.
Genau in diesem Verlag, aus diesen Kartons, die 2011 von den neuen Bewohnern einer Wohngemeinschaft in Bremen-Huchting beim Aufräumen der verlassenen Verlagsräume entdeckt wurden, stammt auch jene besonders perfide Schmutzschrift, die bereits im Oktober/November 1980 – also nur Wochen nach dem Oktoberfest-Anschlag vom 26. September 1980 mit 13 Toten und über 200 Verletzten – erschienen war.
Auf mehreren Seiten wurde dort, zwischen revisionistischen Tiraden und Aufrufen zum „Widerstand“, ganz offen und mit kaum verhohlener Chiffre von der „dringend notwendigen und teuren Krankenbehandlung mehrerer schwer verletzter nigKameraden, die bei einem heldenhaften Einsatz für Volk und Vaterland Verletzungen erlitten haben“ geschrieben und ein separates Spendenkonto iangegeben, „damit unsere Kämpfer schnell wieder einsatzbereit werden können“. In der Szene war es sofort klar.
Gemeint waren die nach dem Münchner Attentat untergetauchten oder verletzten Restmitglieder der Hoffmann-Gruppe, die direkten Helfer, die sich nach der Explosion in Sicherheit bringen mussten.
Auch führten die Spuren aus dem Verlag in die niedersächsische Provinz, wo ein Bekleidungshändler Anfang der 1980er Jahre immer seine antisemitischen Flugblätter bei Soyka/Körner drücken ließ. Inwieweit er in die Ereignisse verwickelt war, lässt sich aus den verschimmelt en Schreiben nicht mehr nachvollziehen.
Der Spendenaufruf für die „Krankenbehandlung der Kameraden“ wurde so zu einem der zynischsten Dokumente dieser Jahre – ein Beweis, dass selbst nach dem offiziellen Verbot der WSG und nach dem schwersten rechtsterroristischen Anschlag der frühen Bundesrepublik die Strukturen weiterliefen, Geld floss und die Propaganda nicht verstummte.
In Körners Publikationen, die sich als „Wahrheitskämpfe“ tarnten, rief er wiederholt zu finanzieller Solidarität mit den „Helden“ auf, die gegen vermeintliche „jüdische Einflüsse“ antraten, und es ist kein Zufall, dass diese Rhetorik nahtlos an die Feindschaft gegen Figuren wie Shlomo Lewin anschloss, den jüdischen Rabbiner und Verleger aus Erlangen, der als einer der lautstärksten Kritiker der Neonazi-Szene galt und 1977 bei Protesten gegen eine von Hoffmann organisierte Konferenz von Holocaust-Leugnern als Redner auftrat, was ihn in den Augen der Szene zum Erzfeind stempelte.Der Doppelmord am 19. Dezember 1980 an Lewin und seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke markierte den blutigen Höhepunkt dieser Spirale aus Hetze und Bewaffnung, eine Tat, die Uwe Behrendt, Vizechef der WSG und enger Vertrauter Hoffmanns, ausführte, indem er die beiden mit einer Pistole erschoss, die aus dem Arsenal des Schloss Ermreuth stammte. Diese Vertuschung, die bis heute als Skandal der Ermittlungen gilt, unterstreicht, wie tief der Freundeskreis und seine Propagandisten in dieses System verflochten waren: Über Walther Soyka und Manfred Roeder, über Wolfgang Peter M. und den Huchtinger Verlag floss eine direkte Linie von den alten Kadern der NSDAP bis in die 2010er-Jahre zum NSU, ein Kontinuum des Hasses, das sich über Generationen und über Bremen, Hannover, Regensburg, Erlangen und Zwickau zog – und das sich 1980 sogar erdreistete, ganz offen Spenden für die „Krankenbehandlung der Kameraden “ zu verlangen, während die Toten noch nicht einmal beerdigt waren.
Heute, fast 45 Jahre später, liegen diese vergilbten Hefte mit dem zynischen Spendenaufruf noch immer in Archiven, ein Mahnmal dafür, wie aus akademischen Kreisen Bremens, aus Juristenstuben in Hannover und aus Kellern in Huchting über Jahrzehnte hinweg Mord und Terror finanziert und ideologisch abgesichert wurden – und wie der Geist von Ermreuth niemals wirklich verschwand, sondern nur die Generationen wechselte.
