Titelbild: Beispielbild Pixabay
Der Luchs, genauer gesagt der Eurasische Luchs (Lynx lynx), ist die größte Wildkatze Europas und seit einigen Jahrzehnten wieder ein faszinierender Bestandteil der deutschen Wildnis. Nachdem er im 19. Jahrhundert in fast ganz Mitteleuropa durch intensive Bejagung, Lebensraumzerstörung und die Ausrottung seiner Hauptbeutegreife wie Reh, Gämse und Hirsch nahezu vollständig ausgerottet worden war, begann in Deutschland ab den 1970er-Jahren eine bemerkenswerte Rückkehr dieser scheuen und wunderschönen Raubkatze.
Die Wiederansiedlung startete nicht einheitlich, sondern in mehreren Regionen unterschiedlich. Den Anfang machte der Bayerische Wald und das angrenzende Böhmen (heute Tschechien) in den 1970er- und 1980er-Jahren. Zwischen 1970 und 1989 wurden im Bayerisch-Böhmischen Grenzgebiet insgesamt etwa 20 Luchse ausgewildert, vor allem Tiere aus der Slowakei. Diese Population breitete sich langsam aus und bildete den Grundstock für den heutigen Bestand im Bayerischen Wald, im Böhmerwald und im benachbarten Oberpfälzer Wald sowie im Fichtelgebirge.
Heute leben hier etwa 50 bis 70 adulte Luchse, wobei die Zahlen schwanken, weil viele Tiere in Tschechien oder Österreich geboren werden und die Grenzen überschreiten. Eine zweite wichtige Population entstand im Harz. Dort begann 1999 ein offizielles Auswilderungsprojekt unter Leitung des Nationalparks Harz und verschiedener Naturschutzorganisationen.
Zwischen 2000 und 2006 wurden 24 Luchse, größtenteils aus Zoos und Wildparks stammend, aber auch einige Wildfänge aus der Slowakei und den Karpaten, im Harz freigelassen. Diese Tiere vermehrten sich sehr erfolgreich. Inzwischen hat sich die Harz-Population auf etwa 80 bis 100 adulte Tiere vergrößert und breitet sich in den gesamten Mittelgebirgsraum aus: ins Weserbergland, in den Solling, den Thüringer Wald, den Kaufunger Wald und sogar bis ins nördliche Hessische Bergland und ins südliche Niedersachsen. Einzelne Luchse wurden bereits im Sauerland, im Eggegebirge und im Wiehengebirge nachgewiesen. Im Pfälzerwald und in der Eifel gab es seit den 1980er-Jahren immer wieder Hinweise auf einzelne durchwandernde Luchse, vor allem aus den französischen Vogesen, wo seit den 1970er-Jahren ebenfalls ausgewildert wurde. Seit etwa 2015 gilt im Pfälzerwald und im angrenzenden Elsass eine kleine, aber stabile Population von etwa 20 bis 30 Tieren als gesichert.
Auch in der Eifel und im Hunsrück tauchen immer wieder Fotofallenbilder und genetisch nachgewiesene Luchse auf, allerdings noch keine durchgängig reproduzierende Population. Weitere Nachweise gibt es verstreut in fast allen großen Waldgebieten Deutschlands: Schwarzwald, Odenwald, Spessart, Rhön, Frankenwald, Erzgebirge und sogar im Brandenburgischen oder Mecklenburgischen Wald.
Die meisten dieser Tiere sind jedoch junge, abwandernde Männchen, die oft Hunderte Kilometer zurücklegen, bevor sie ein eigenes Revier finden oder leider häufig im Straßenverkehr sterben.
Insgesamt leben heute (Stand 2025) schätzungsweise 250 bis 350 erwachsene Eurasische Luchse in Deutschland, wobei die genaue Zahl schwer zu ermitteln ist, da viele Tiere grenzüberschreitend leben und die Bestände stark schwanken. Die wichtigsten Kernpopulationen bleiben der Bayerische Wald/Böhmerwald, der Harz und zunehmend auch das Pfälzerwald-Vogesen-Gebiet.
Luchse sind extrem scheu und nachtaktiv, weshalb die meisten Menschen sie nie zu Gesicht bekommen. Sie leben in großen, oft über 100 bis 300 Quadratkilometer umfassenden Revieren, ernähren sich fast ausschließlich von Rehen, gelegentlich auch von Füchsen, Hasen oder jungen Wildschweinen und verursachen praktisch keine Schäden an Nutztieren, da sie Schafe oder Ziegen in der Regel meiden und meistens nicht einmal Hühner reißen. Konflikte mit Jägern oder Landwirten sind daher extrem selten. Trotzdem bleibt die größte Bedrohung der illegale Abschuss und vor allem der Straßenverkehr.
Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 20 bis 30 Luchse auf den Straßen, oft junge Tiere auf der Suche nach neuen Revieren. Deshalb setzen Naturschutzverbände und Landesregierungen zunehmend auf Grünbrücken, Wildwarnreflektoren und Geschwindigkeitsbeschränkungen an bekannten Wanderkorridoren. Die Rückkehr des Luchses gilt als eine der großen Erfolgsgeschichten des Naturschutzes in Deutschland. Wo vor 150 Jahren nur noch ausgestopfte Exemplare in Museen zu sehen waren, streift heute wieder eine der schönsten und geheimnisvollsten Raubkatzen durch unsere Wälder – ein lebendiges Zeichen dafür, dass große Wildtiere und Menschen in Mitteleuropa durchaus wieder gemeinsam existieren können, wenn wir ihnen nur genug Raum und Akzeptanz geben.
