Titelbild:Socrammm Grab von Biko Lizenz 3.0 Wikipedia
Steven Biko, der ikonische südafrikanische Aktivist und Gründer der Black Consciousness Movement, bleibt auch fast ein halbes Jahrhundert nach seinem gewaltsamen Tod ein Symbol für den Widerstand gegen Rassismus und Unterdrückung. Geboren 1946 in King William’s Town als Bantu Stephen Biko, wuchs er in einer armen Xhosa-Familie auf und entwickelte früh eine tiefe Abneigung gegen das Apartheid-System, das die schwarze Bevölkerung Südafrikas systematisch entrechtete und demütigte. Als Medizinstudent an der University of Natal schloss er sich 1966 der National Union of South African Students an, doch die Dominanz weißer Liberaler in solchen Organisationen frustrierte ihn zutiefst. Er erkannte, dass wahre Befreiung nur durch eigenständige schwarze Initiativen erreicht werden konnte, und gründete 1968 die South African Students‘ Organisation (SASO), die ausschließlich Schwarzen – ein Begriff, den Biko bewusst erweiterte, um Afrikaner, Coloureds und Inder einzuschließen – offenstand.
Unter dem Einfluss des Philosophen Frantz Fanon formte Biko die Ideologie der Black Consciousness, die nicht nur politischen Aktivismus propagierte, sondern vor allem psychologische Emanzipation. Schwarze Menschen sollten ihr Selbstwertgefühl zurückerobern, die innere Kolonialisierung durchbrechen und sich als stolze, unabhängige Akteure begreifen. Diese Bewegung breitete sich rasch über Universitätsgelände hi
naus in städtische schwarze Gemeinschaften aus, führte 1972 zur Gründung der Black People’s Convention und inspirierte Tausende, darunter die Jugendlichen, die 1976 den Soweto-Aufstand entfachten. Bikos Schriften, wie die in „I Write What I Like“ gesammelten Essays, betonten, dass die mächtigste Waffe des Unterdrückers der Geist des Unterdrückten sei – ein Satz, der bis heute in globalen Kämpfen gegen Rassismus widerhallt.
Sein Leben endete brutal am 12. September 1977, genau 48 Jahre vor dem heutigen Datum, als er im Alter von nur 30 Jahren in Polizeigewahrsam starb. Nach seiner Verhaftung im August desselben Jahres wurde Biko in Port Elizabeth von Sicherheitskräften der Apartheid-Regierung gefoltert. Er erlitt schwere Kopfverletzungen durch Schläge, die zu Hirnschwellungen und Nierenversagen führten. Statt medizinischer Hilfe transportierten die Behörden ihn – nackt und gefesselt – über 1.000 Kilometer in einem Landrover nach Pretoria, wo er im Gefängniskrankenhaus verstarb. Die offizielle Todesursache wurde als Suizid durch Kopfschläge gegen eine Zellwand dargestellt, eine Lüge, die internationalen Abscheu auslöste und den Druck auf das Regime verstärkte, das schließlich 1994 zum Fall beitrug. Die erste Untersuchung 1977 galt als Farce, ein Vertuschungsversuch, der keine Verantwortlichen zur Rechenschaft zog. Bikos Tod katapultierte ihn posthum zu einem Märtyrer: Seine Beerdigung in King William’s Town versammelte Zehntausende Trauernde, und Künstler wie Peter Gabriel widmeten ihm Lieder, die die Welt sensibilisierten.
Seine Witwe Ntsiki Biko und ihre Söhne Samora und Nkosinathi hielten den Kampf am Leben, mit der Black Power-Salue symbolisierend, dass Bikos Erbe unzerstörbar sei.
In den Jahrzehnten seitdem hat sich Bikos Vermächtnis in unzähligen Facetten entfaltet – von Straßen und Akademien, die seinen Namen tragen, bis hin zu globalen Debatten über Dekolonisierung und mentale Resilienz in marginalisierten Communities. Doch genau an diesem 12. September 2025 markiert eine der drängendsten und hoffnungsvollsten Entwicklungen. Das National Prosecuting Authority (NPA) Südafrikas hat die Untersuchung zu Bikos Tod neu eröffnet, eine Entscheidung, die von der Biko-Familie unterstützt wird und potenziell zu Strafverfolgung führen könnte. Dieses Verfahren, das am Freitag vor Gericht eingereicht wurde, zielt darauf ab, endgültig zu klären, ob kriminelle Handlungen – Folter, Fahrlässigkeit oder Mord – vorlagen, und könnte die verbliebenen oder noch lebenden Beteiligten belangen. Bikos Sohn Nkosinathi äußerte gegenüber der BBC Zuversicht, dass Gerechtigkeit endlich eintreten werde, und betonte, die Familie sei bereit für diesen Schritt, der nicht nur symbolisch, sondern konkret Verantwortung einfordert. Die Initiative folgt auf jahrelange Forderungen von Aktivisten und Historikern, die argumentieren, dass die Wahrheitskommissionsarbeit der 1990er-Jahre zwar Heilung förderte, aber unvollständig blieb, da viele Apartheid-Verbrechen straffrei blieben. Die Journalistin Helen Zille, die 1977 als Reporterin der Rand Daily Mail die Vertuschung aufdeckte und damit Bikos Geschichte in die Welt trug, begrüßt die Neuauflage und hofft auf Enthüllungen, die das kollektive Gedächtnis Südafrikas bereichern. In einer Zeit, in der das Land mit Korruption, Ungleichheit und anhaltenden Rassenspannungen ringt, könnte diese Frage nicht nur historische Wunden aufreißen, sondern auch ein Signal senden, dass Rechenschaftspflicht zeitlos ist.
Diese Entwicklung passt in einen breiteren Kontext aktueller Reflexionen über Bikos Erbe. Im April 2024 wurde sein Grab in King William’s Town geschändet – die bronzenen Fäuste auf seinem Grabstein, ein Symbol schwarzen Widerstands, wurden gestohlen –, was Empörung auslöste und die anhaltende Verletzlichkeit solcher Stätten unterstrich. Solche Vorfälle erinnern daran, dass Bikos Ideen nicht nur verehrt, sondern auch bekämpft werden, besonders in einer post-apartheid Gesellschaft, die wirtschaftliche Ungleichheiten erbt. Dennoch blüht sein Einfluss. Die Steve Biko Foundation fördert weiterhin Bildungsprogramme, die Black Consciousness in Schulen und Universitäten einbetten, und internationale Bewegungen wie Black Lives Matter zitieren seine Worte in Protesten gegen Polizeigewalt. In Südafrika selbst inspirieren jährliche Gedenkveranstaltungen, wie die 15. Steve Biko Annual Institution Public Lecture, junge Aktivisten, Bikos Prinzipien auf aktuelle Herausforderungen wie Landreform und Geschlechtergerechtigkeit anzuwenden. Die Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) hat die NPA-Initiative begrüßt und fordert Transparenz, während soziale Medien mit Beiträgen überflutet sind, die Bikos Zitate teilen und seine Philosophie als Kompass für die Gegenwart feiern. Letztlich zeigt die Wiedereröffnung des Verfahrens, dass Bikos Kampf nicht endet. Sie unterstreicht, wie sein Vermächtnis – ein Aufruf zu Selbstermächtigung und Gerechtigkeit – weiterhin neue Impulse setzt, um alte Wunden zu heilen und eine inklusivere Zukunft zu schmieden. In einer Welt, die mit Rassismus und Ungleichheit hadert, bleibt Biko nicht nur eine historische Figur, sondern ein lebendiger Impuls für Veränderung.
