Die Masche ist so raffiniert und umfassend, dass sie bundesweit Tausende betrifft und die Behörden in Staunen versetzt. Journalistische Recherchen von RTL, n-tv und dem „Stern“ haben kürzlich ans Tageslicht gebracht, wie tief das Problem reicht: Kriminelle bieten über Social-Media-Apps und verschlüsselte Kanäle gefälschte Dokumente an, die täuschend echt wirken. Diese Zertifikate stammen oft von renommierten Anbietern wie Telc, dem größten Sprachtest-Institut Deutschlands, und werden mit Präzision manipuliert – von der Seriennummer bis hin zu den digitalen Sicherheitsmerkmalen. Die Preise? Sie reichen von 750 bis 2700 Euro pro Stück, je nach Komplexität und Garantie auf Unantastbarkeit. Manche Händler werben sogar mit Mengenrabatten für Gruppen, etwa für ganze Familien oder Freundeskreise, die gemeinsam den Einbürgerungsprozess durchlaufen wollen. Einmal eingereicht und akzeptiert, wandern diese Fakes durch das System, ohne dass weitere Prüfungen erfolgen. „Einmal drin heißt meistens, für immer drin“, beschreibt ein Insider die fatale Logik der Behörden, die in der Flut von Anträgen kaum nachhaken. So erschleichen sich Betroffene nicht nur eine Niederlassungserlaubnis, sondern letztlich die volle Staatsangehörigkeit, inklusive aller Rechte wie Wahlrecht, Sozialleistungen und unbeschränkter Reisefreiheit.
Die Hintergründe dieser Betrugsmasche sind ebenso alarmierend wie die Ausmaße. Polizisten und Mitarbeiter von Ausländerbehörden berichten von einer Überforderung, die systembedingt ist. In einer Recherche entdeckte ein Betroffener, der selbst in die Falle tappte, durch einfache Trial-and-Error-Methoden an URLs Hunderte weiterer gefälschter Zertifikate – allein hinter einem einzigen Link verbargen sich über 340 solcher Dokumente. Ein Polizist aus dem Alltag der Einwanderungskontrollen fasst die Lage treffend zusammen: „Die Situation ist nicht mehr zu kontrollieren.“ Er erzählt von Fällen, in denen Personen mit mehreren Alias-Namen und 14 verschiedenen gefälschten Zertifikaten versuchten, mehrmals in den Sozialstaat einzuwandern, nur um erwischt zu werden, weil ihr mangelndes Deutschkenntnisse auffiel. Doch selbst dann hagelt es oft nur Beleidigungen, und die Fälschungen sind so gut gemacht, dass sie bei oberflächlichen Checks durchrutschen. Die Kriminellen operieren international, oft aus dem Ausland, und nutzen die Digitalisierung aus, um anonym zu bleiben. TikTok dient als Rekrutierungsplattform, wo Videos mit Hashtags wie #DeutschZertifikat oder #Einbürgerung die Zielgruppe anlocken – vor allem aus Ländern mit hoher Migrationsdynamik wie Syrien, Afghanistan oder der Türkei. Die Händler reagieren auf Konfrontationen mit Frechheit: „Das Geschäft läuft störungsfrei, wir haben wenig zu befürchten“, prahlt einer in einer verdeckten Aufnahme vor der TV-Kamera.
Diese Entwicklung wirft tiefe Fragen zur Integrationspolitik auf. Deutschland hat in den letzten Jahren Millionen von Flüchtlingen aufgenommen, und die Einbürgerungsgesetze wurden gelockert, um Inklusion zu fördern. Doch genau diese Liberalisierung schafft Lücken, die Betrüger ausnutzen. Statt echter Sprachkurse und Gesellschaftskenntnisse, die Monate der Vorbereitung erfordern, reicht nun ein Mausklick und ein paar Tausend Euro, um den Weg zu pflastern. Die Konsequenzen sind weitreichend.
