HomeToGo CBD VITAL Weinvorteil DE
Damals

Die Tragödie der Andrea Doria

Titelbild: Andrea Doria US Coastguard, Public Domain 

Die Andrea Doria, ein stolzes italienisches Passagierschiff der Italia-Linie, das nach dem berühmten Genueser Admiral aus dem 16. Jahrhundert benannt war, verließ am 17. Juli 1956 den Hafen von Genua zu ihrer 101. Atlantiküberquerung in Richtung New York. Das 212 Meter lange und 29.000 Bruttoregistertonnen schwere Luxusliner, ein Symbol des italienischen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, bot Platz für über 1.200 Passagiere und eine Besatzung von rund 570 Personen.

An Bord befanden sich diesmal 1.134 Passagiere aus mehr als 30 Nationen, darunter viele Emigranten, die ein neues Leben in den USA suchten, wohlhabende Touristen in den prunkvollen Erste-Klasse-Suiten mit Swimmingpools, Kunstwerken von italienischen Meistern und eleganten Salons sowie Familien in den einfacheren Kabinen der Touristenklasse. Das Schiff, das 1953 vom Stapel gelaufen war, galt als technisches Meisterwerk mit elf wasserdichten Abteilungen, doppeltem Boden und modernsten Navigationshilfen wie Radar, was es theoretisch unsinkbar machen sollte – ein Echo an die Titanic, deren Schicksal man vermeiden wollte.

Unter dem Kommando des erfahrenen Kapitäns Piero Calamai, einem 38-jährigen Seebären mit untadeligem Ruf, der bereits etliche Überfahrten absolviert hatte, durchquerte die Andrea Doria den Atlantik bei gutem Wetter. Die Reise verlief ereignislos, bis am Abend des 25. Juli 1956, kurz vor der Einfahrt in den New Yorker Hafen, dichter Nebel über dem Nantucket-Shoals-Gebiet südlich von Massachusetts aufzog. Die Sichtweite sank auf unter eine Meile, und Calamai reduzierte die Geschwindigkeit auf 21,8 Knoten, was immer noch relativ hoch war, um den Zeitplan einzuhalten, aktivierte aber das Nebelhorn und stellte zusätzliche Ausguckposten auf. Gleichzeitig näherte sich von Osten her die Stockholm, ein schwedisches Passagierschiff der Swedish American Line, das unter dem Kommando von Kapitän Harry Gunnar Nordenson stand, obwohl der dritte Offizier Johan-Ernst Carstens-Johannsen die Wache führte. Die Stockholm, ein kleineres Schiff mit 12.165 Bruttoregistertonnen und einer Länge von 160 Metern, war auf dem Weg von New York nach Göteborg und transportierte 534 Passagiere sowie 313 Crewmitglieder. Sie fuhr mit etwa 18,5 Knoten durch den Nebel, ebenfalls mit Radarunterstützung.

Die Katastrophe ereignete sich um 23:10 Uhr Ortszeit, als die beiden Schiffe in einer Kollision zusammenstießen, die durch eine Kette von Fehlern und Missverständnissen ausgelöst wurde. Die Andrea Doria befand sich auf einem Kurs von 268 Grad, leicht südwestlich, während die Stockholm auf 090 Grad ostwärts steuerte; sie sollten sich eigentlich backbord an backbord passieren, was der internationalen Regel entsprach. Doch aufgrund fehlerhafter Radarinterpretationen – die Stockholm hielt die Andrea Doria irrtümlich für ein Schiff, das sich weiter nördlich befand, und drehte zu früh nach backbord, während Calamai nach steuerbord auswich, in dem Glauben, die Stockholm würde backbord passieren – kreuzten sich ihre Pfade fatal. Der verstärkte Eisbecher der Stockholm, der für Fahrten in der Ostsee konzipiert war, rammte die Andrea Doria mittschiffs auf der Steuerbordseite mit einer Wucht, die ein 12 Meter langes und bis zu sieben Meter tiefes Loch in den Rumpf riss. Der Aufprall war so gewaltig, dass er die Stockholm um 30 Grad nach backbord drehte und ihren Bug zerfetzte, doch sie blieb schwimmfähig.

An Bord der Andrea Doria herrschte sofort Chaos: Der Zusammenstoß zerstörte fünf der elf wasserdichten Abteilungen, darunter kritische Treibstofftanks, die sich mit Meerwasser füllten und das Schiff innerhalb kürzester Zeit um 20 Grad nach steuerbord krängen ließen. Passagiere wurden aus den Betten geschleudert, Möbel rutschten durch die Kabinen, und Wasser drang in die unteren Decks ein. Kapitän Calamai befahl sofort „Abandon Ship“ und ließ die Rettungsboote zu Wasser, doch aufgrund der starken Schräglage konnten nur die Boote auf der backbordseite genutzt werden – die steuerbordseitigen hingen nutzlos in der Luft. Viele Passagiere, darunter Kinder und Ältere, kämpften panisch um Plätze in den Booten, während die Besatzung heldenhaft versuchte, Ordnung zu schaffen. Berühmt wurde die 14-jährige Linda Morgan, die „Wunder-Mädchen“, die aus ihrer Kabine auf der Andrea Doria geschleudert und auf dem Bug der Stockholm landete, wo sie gerettet wurde, obwohl ihre Mutter und Schwester umkamen.

Die Rettungsaktion wurde zu einem der größten maritimen Erfolge der Geschichte: Innerhalb von Minuten nach der Kollision trafen Schiffe aus der Umgebung ein, darunter die Ile de France, ein französischer Luxusliner mit über 1.000 Passagieren, der umkehrte und 753 Überlebende aufnahm, sowie die Stockholm selbst, die trotz eigener Schäden 545 Personen rettete, und weitere Hilfsschiffe wie die Cape Ann und die Private William H. Thomas. Insgesamt wurden in einer koordinierten Operation unter der US-Küstenwache 1.660 Menschen gerettet, doch 46 starben auf der Andrea Doria – meist durch den unmittelbaren Aufprall, Ersticken in den Kabinen oder Ertrinken in den überfluteten Decks – und fünf auf der Stockholm, darunter Crewmitglieder im Bugbereich. Die Andrea Doria sank erst elf Stunden später, am 26. Juli um 10:09 Uhr, in 74 Meter Tiefe, wobei ihr Bug als letztes verschwand und ein dramatisches Bild für die herbeigeeilten Fotografen bot.

Die Nachwirkungen der Katastrophe waren weitreichend.
Eine gemeinsame Untersuchung durch Italien, Schweden und die USA ergab, dass beide Kapitäne Fehler begangen hatten – Calamai fuhr zu schnell im Nebel, Carstens-Johannsen interpretierte das Radar falsch –, doch es gab keine Schuldzuweisung, und die Reedereien einigten sich außergerichtlich auf Schadensersatz. Die Stockholm wurde repariert und fuhr bis 2020 weiter, während die Andrea Doria zu einem beliebten Wracktauchziel wurde, das jedoch aufgrund seiner Tiefe und Strömungen als gefährlich gilt und bereits mehrere Taucher das Leben kostete. Die Tragödie führte zu Verbesserungen in der Schifffahrtssicherheit, wie strengeren Nebelregeln, besseren Radarschulungen und der Einführung automatischer Kollisionswarnsysteme. Sie markierte das Ende der Ära der großen Transatlantik-Liner als primäres Transportmittel, da der Flugverkehr sie zunehmend verdrängte, und bleibt bis heute ein Mahnmal für die Gefahren der See, menschliches Versagen und die heldenhafte Rettung in der Stunde der Not.

Themenverwandte Artikel

Paris 1912

the kasaan times

Der blutige Vietnamkrieg

the kasaan times

Zu Zeiten von Henry Kissinger wurde täglich in Vietnam gestorben

the kasaan times

„Und es hatte Bumm gemacht“..eine Erinnerung an den Sommer der Wiedervereinigung

the kasaan times

Was das Nazi-Regime hinterließ -Trümmer und Millionen Kriegsgefangene

the kasaan times

Jahrhundertwinter 1978/1979

the kasaan times

Markttag in New York, 1903

the kasaan times

25 Jahre nach Srebrenica – die Opfer sind unvergessen

the kasaan times

Die letzte zivile Hinrichtung in der späteren Bundesrepublik

the kasaan times

Heute vor 80 Jahren – D-Day

the kasaan times

Durch Los Angeles in den 1950ern

the kasaan times

Die Kaisensiedlungen

the kasaan times

Hinterlasse einen Kommentar

*