Titelbild: Bolsonaro Palacio de Planalto, 2022
Jair Bolsonaro, der ehemalige Präsident Brasiliens, wurde am 11. September 2025 vom Obersten Bundesgericht (STF) in Brasília zu einer Haftstrafe von 27 Jahren und drei Monaten verurteilt. Dieses Urteil markiert einen historischen Wendepunkt in der brasilianischen Justizgeschichte, da Bolsonaro der erste Ex-Staatschef des Landes ist, der wegen eines versuchten Staatsstreichs und Angriffs auf die Demokratie schuldig gesprochen wird. Der 70-Jährige, der von 2019 bis 2022 im Amt war, hatte die Präsidentschaftswahl 2022 gegen den linksgerichteten Luiz Inácio Lula da Silva verloren und weigert sich seither, die Niederlage anzuerkennen. Die Richter warfen ihm vor, eine kriminelle Organisation angeführt zu haben, um das Wahlergebnis durch einen Putsch zu kippen, die demokratischen Institutionen zu untergraben und sogar zur gewaltsamen Erstürmung von Regierungsgebäuden aufzustacheln, wie es im Januar 2023 geschah, als Bolsonaro-Anhänger das Präsidialamt, den Kongress und den Obersten Gerichtshof stürmten.
Der Prozess, der sich über Monate hinzog, basierte auf umfangreichen Beweisen, darunter Zeugenaussagen von Militärs, Chats und Dokumente, die Bolsonaros Beteiligung an Plänen für einen Ausnahmezustand und Neuwahlen belegten. Vier der fünf Richter in der Kammer – darunter Alexandre de Moraes, Flavio Dino und Cármen Lúcia – stimmten für den Schuldspruch in allen Anklagepunkte. Versuchter Staatsstreich, gewaltsame Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Zerstörung von Staatseigentum und Kulturgütern. Nur Richter Luiz Fux votierte für einen Freispruch und argumentierte, der Fall sei zu politisch und gehöre nicht vor das STF, sondern vor niedrigere Instanzen. Die Richter betonten, Bolsonaro habe die Armeespitze konsultiert, um Unterstützung für einen Umsturz zu gewinnen, scheiterte jedoch daran, dass nur der Marinechef Almir Garnier vollends mitmachte, während Heer und Luftwaffe zurückhaltend blieben. Zudem wussten die Ermittler von Plänen, Lula, Vizepräsident Geraldo Alckmin und sogar Richter Moraes durch Gift, Sprengstoffe oder Waffen zu ermorden, um die Machtübernahme zu erleichtern.
Neben Bolsonaro wurden sieben weitere hochrangige Figuren verurteilt, darunter der ehemalige Verteidigungsminister Paulo Sérgio Nogueira, der Ex-Marinechef Almir Garnier und Bolsonaros Sicherheitsberater Augusto Heleno – allesamt enge Verbündete aus seiner Regierung. Die Strafen für sie variieren, liegen aber ebenfalls in mehrjährigen Haftbereichen. Bolsonaro selbst befand sich bereits seit Anfang August 2025 unter Hausarrest, weil er Auflagen wie das Verbot, das Land zu verlassen, missachtet hatte; es gab Hinweise auf Fluchtpläne nach Argentinien. Aufgrund seines Alters und gesundheitlicher Probleme nach einem Attentat 2018 könnte die Strafe in Hausarrest umgewandelt werden, doch die Vollstreckung ist nun besiegelt. Seine Anwälte kündigten umgehend Berufungen an, nannten das Urteil „absurd überhöht und unverhältnismäßig“ und sprachen von einer politischen Verfolgung durch die Lula-Regierung. Bolsonaros Sohn Flavio Bolsonaro trat vor die Presse und betonte, sein Vater stehe „fest und stark“ da, da die Geschichte ihn rehabilitieren werde.
Das Urteil hat nicht nur Brasilien erschüttert, sondern auch internationale Spannungen geschürt. US-Präsident Donald Trump, der Bolsonaro als „guten Präsidenten“ und Verbündeten sieht, nannte die Verurteilung „sehr überraschend“ und verglich sie mit seinen eigenen angeblichen Verfolgungen. Äußerstminister Marco Rubio sprach von einer „Hexenjagd“ und drohte mit Konsequenzen, darunter höhere Zölle auf brasilianische Waren – eine Maßnahme, die Trump bereits zuvor ergriffen hatte, um Druck auszuüben. Diese Einmischung führte zu einer diplomatischen Krise zwischen Brasilien und den USA, die Lula als Versuch externer Beeinflussung des Justizsystems kritisierte. In Brasilien selbst polarisiert das Urteil tief
Für Lula-Anhänger ist es ein Sieg der Demokratie gegen autoritäre Tendenzen, während Bolsonaros rechte Basis von einer „Farce“ und Forderungen nach Amnestie spricht. Der Prozess unterstreicht Brasiliens fragile Demokratie, geprägt von einer Geschichte voller Putsche und Diktaturen, und zeigt, wie Bolsonaro trotz Wahlniederlage weiterhin Einfluss auf radikale Gruppen ausübt. Ob das Urteil seinen politischen Untergang einleitet oder ihn zum Märtyrer macht, bleibt abzuwarten, doch es signalisiert ein klares Bekenntnis Brasiliens zu rechtsstaatlichen Prinzipien.
