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DDR

Fritz Fleischers Traum vom DDR-Omnibus

Titelbild S2 (1968) 32X
Die Geschichte der Fritz Fleischer KG Gera, auch bekannt als die Geraer Karosserie- und Fahrzeugfabrik Fritz Fleischer, ist eine faszinierende Erzählung von Unternehmertum, technischer Innovation und dem Überleben in den schwierigen Rahmenbedingungen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).

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Als einziges privates Unternehmen in der DDR, das Omnibusse in nennenswerter Stückzahl produzierte, hinterließ die Firma von Fritz Fleischer einen bleibenden Eindruck in der Geschichte des ostdeutschen Fahrzeugbaus. Ihre Busse waren nicht nur technische Meisterwerke, sondern auch Symbole für die Möglichkeit, selbst unter den Einschränkungen eines sozialistischen Systems Qualität und Komfort auf westlichem Niveau zu erreichen.

Gegründet wurde das Unternehmen 1927 von Fritz Fleischer, der am 21. Dezember 1903 in Gera geboren wurde und später, am 1. September 1989, verstarb. In den Anfangsjahren konzentrierte sich die Firma auf Karosseriearbeiten und die Reparatur von Fahrzeugen sowie den Bau von Aufbauten und Anhängern. Die frühen Jahre waren von handwerklicher Präzision geprägt, doch der Zweite Weltkrieg brachte schwere Rückschläge. 1945 wurde das Werk bei einem Bombenangriff schwer beschädigt, acht Mitarbeiter verloren ihr Leben, und Fritz Fleischer selbst wurde verletzt.

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Dennoch zeigte er bemerkenswerte Widerstandskraft. Bereits im September 1945 nahm das Unternehmen die Arbeit wieder auf, zunächst mit Reparaturen von Autos und Anhängern für die Rote Armee.

In den späten 1940er Jahren begann die Fritz Fleischer KG, Omnibusse zu entwickeln, zunächst durch den Bau von Karosserien auf vorhandenen Fahrgestellen, oft aus ehemaligen Wehrmachtsbeständen. Ab 1958 markierte die Einführung der selbsttragenden Modelle S1 und S2 einen Wendepunkt. Diese Busse waren ihrer Zeit voraus und boten Annehmlichkeiten wie Liegesitze, Toiletten und sogar Fernseher, was sie zu einer ernsthaften Konkurrenz für westliche Modelle machte. Leider verpasste die DDR die Chance zu exportieren.

Die Scheune Delikatessen

Die Serienproduktion begann 1959, und die Busse fanden Verwendung in regionalen Linienverkehren, etwa zwischen Schleiz und Jena, sowie für Stadtrundfahrten in Berlin. Doch die Arbeit in der DDR war alles andere als einfach. Die Planwirtschaft und die Vorgaben des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) schränkten die Produktion ein. Nach RGW-Regeln sollten Busse aus Ungarn von Ikarus geliefert werden, doch die ungarischen Lieferungen blieben chronisch unzuverlässig – jährlich fehlten etwa 700 Busse gegenüber dem Bedarf und 1.000 gegenüber den Bestellungen. Um diese Einschränkungen zu umgehen, wurden neue Busse von Fleischer oft als „Reparaturumbauten“ deklariert, etwa als S2 RU, was privaten Betreibern, die keine neuen Importbusse erhielten, zugutekam.

Die Scheune Delikatessen

Die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen waren immens. Fritz Fleischer selbst wurde 1953 für zwei Monate aus abstrusen Gründen inhaftiert, ein klarer Akt politischer Schikane.
Sein Chefkonstrukteur Martin Seipolt floh 1959 in die Bundesrepublik und arbeitete später für Kässbohrer, was einen herben Verlust für das Unternehmen bedeutete. Zwischen 1963 und 1965 wurde die Busproduktion fast vollständig eingestellt, da die Firma gezwungen wurde, 200 Röntgenfahrzeuge für die Sowjetunion zu bauen. Dennoch setzte Fleischer seine Innovationsarbeit fort. 1962 wurde der S3 eingeführt, ein Linienbus, der speziell für den öffentlichen Nahverkehr in Ost-Berlin entwickelt wurde, um entlegene Stadtteile anzubinden. Sechs dieser Busse wurden von der Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) eingesetzt. 1970 folgte der S4 als Weiterentwicklung des S1, und 1972 kam der S5 auf den Markt, der auf Ikarus-Fahrgestellen basierte, aber mit eigenständigem Design überzeugte. Dieser Bus, bekannt unter Namen wie „Spreesegler“ oder „Rose von Sebnitz“, blieb bis 1990 unverändert in Produktion und wurde zum Synonym für die Qualität der Fleischer-Busse. In den späten 1980er Jahren entwickelte die Firma zudem den S6, eine modifizierte Version des Ikarus 260 mit angepasstem Design, die in Städten wie Gera, Jena und Saalfeld-Rudolstadt eingesetzt wurde.


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Die Verstaatlichung 1972 war ein schwerer Schlag. Die Fritz Fleischer KG wurde zum Volkseigenen Betrieb Karosseriebau Gera (VEB KBG) umgewandelt, und die Busproduktion wurde zugunsten von Autoteilen zurückgefahren. Fritz Fleischer selbst wurde 1973 als Werksleiter entlassen, was das Ende einer Ära markierte. Nach der Wiedervereinigung wurde das Unternehmen von der Treuhandanstalt abgewickelt und verkauft, womit die Busproduktion endgültig eingestellt wurde. Schätzungen zufolge produzierte die Firma insgesamt zwischen 500 und 1.000 Busse, eine beachtliche Leistung unter den gegebenen Umständen.


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Das Erbe von Fritz Fleischer lebt in den erhaltenen Fahrzeugen und der Begeisterung von Liebhabern weiter. Heute existieren nur noch etwa 20 S5-Busse, die von Enthusiasten wie Lars Gersten gepflegt werden. Veranstaltungen wie das Fleischer-Bus-Treffen, das 2012 und 2021 dokumentiert wurde, zeugen von der anhaltenden Faszination für diese Fahrzeuge. Neben Bussen produzierte das Unternehmen auch Wohnwagen, Servicefahrzeuge für Motorsportteams und sogar Gartenmöbel, was die Vielseitigkeit der Firma unterstreicht.
Wer sich tiefer mit der Geschichte beschäftigen möchte, findet in Christian Suhrs Buch „Fritz Fleischer und seine Busse,“(Kraftakt, 2006) eine umfassende Darstellung des Lebenswerks von Fritz Fleischer und seiner Firma.


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