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Cold Case

Das Mysterium Frauke Liebs

Titelbild: Frauke Liebs, 2006, Kripo Paderborn 

Der Fall Frauke Liebs ist einer der rätselhaftesten und emotional belastendsten Vermisstenfälle in der deutschen Kriminalgeschichte.

Am Abend des 20. Juni 2006 verschwand die damals 21-jährige Gesundheits- und Krankenpflege-Schülerin aus Paderborn spurlos, nachdem sie in einer Kneipe in der Innenstadt mit Freunden die Fußball-Weltmeisterschaft verfolgt hatte. Frauke Liebs war an diesem Abend guter Laune, hatte mit mehreren Personen gesprochen und gegen 23 Uhr per SMS ihrer Mitbewohnerin geschrieben, dass sie sich auf den etwa vier Kilometer langen Heimweg nach Hausen, einem Stadtteil von Paderborn, machen wolle.

Sie wollte zu Fuß gehen, obwohl ihr Bruder Chris, der ebenfalls in der Kneipe war, ihr angeboten hatte, sie mitzunehmen. Sie lehnte ab, weil sie noch „ein bisschen frische Luft schnappen“ wollte. Das war das letzte gesicherte Lebenszeichen, das direkt von ihr selbst ausging.

In den folgenden Tagen und Wochen passierte etwas hochgradig Ungewöhnliches: Frauke Liebs meldete sich mehrfach per SMS und sogar per Telefon bei ihrer Familie und ihrem Freund, obwohl sie offensichtlich nicht frei war.

Am 24. Juni, vier Tage nach ihrem Verschwinden, erhielt ihr Bruder eine SMS mit den Worten „Komm nach Hause, ich lebe“. Kurz darauf ging eine weitere Nachricht ein: „Ich komme heute Abend“. Sie kam nicht. Am 27. Juni 2006 gelang es ihrem Freund Dennis, sie telefonisch zu erreichen. Sie war über ihr eigenes Handy in der Leitung. Dennis schilderte später, dass Frauke sehr leise, verängstigt und irgendwie „gedämpft“ klang. Sie sagte Sätze wie „Ich komme bald nach Hause“ und „Mir geht’s gut“, beantwortete aber keine direkte Frage nach ihrem Aufenthaltsort oder danach, ob sie entführt worden sei. Auf die wiederholte Frage „Bist du freiwillig dort?“ antwortete sie nach langer Pause nur mit einem kaum verständlichen „Ja… nein… ich muss jetzt auflegen“. Das Gespräch brach ab.

In den folgenden Tagen gab es noch vier weitere sehr kurze Telefonate und mehrere SMS, die alle den gleichen Tenor hatten: Sie lebe, sie komme bald heim, sie dürfe nicht sagen, wo sie sei. Immer wieder wurde das Gespräch oder die Verbindung abrupt unterbrochen, sobald konkrete Fragen gestellt wurden. Die Anrufe und Nachrichten kamen aus unterschiedlichen Funkzellen – mal aus Paderborn selbst, mal aus dem rund 100 Kilometer entfernten Nieheim-Sommerwerda und Umgebung im Kreis Höxter, mal aus dem Raum Detmold. Die Polizei ging früh davon aus, dass Frauke unter massivem Druck stand und wahrscheinlich von ihrem Peiniger gezwungen wurde, genau diese Sätze zu sagen, um die Ermittlungen zu behindern und die Familie ruhig zu halten.

Die Hoffnung der Familie und der Ermittler schwand mit jedem Tag, auch wenn die Lebenszeichen andauerten. Das letzte Telefonat fand am 3. August 2006 statt, wieder sehr kurz und mit den gleichen ausweichenden Antworten. Danach herrschte Funkstille.

Am 4. Oktober 2006, fast viereinhalb Monate nach ihrem Verschwinden, fand ein Spaziergänger am Rande eines Waldweges bei Lichtenau-Husen, etwa 25 Kilometer von Paderborn entfernt, eine stark verweste Leiche. Es handelte sich um Frauke Liebs. Sie lag in einem kleinen Waldstück direkt neben einer viel befahrenen Landstraße, nur wenige Meter von einem Anglersee entfernt. Die Tote war bekleidet, ihre Handtasche und ihr Handy wurden nie gefunden. Die Obduktion ergab, dass Frauke mit großer Wahrscheinlichkeit durch einen oder mehrere Messerstiche in den Brustbereich getötet wurde. Der Todeszeitpunkt konnte aufgrund des Verwesungszustandes nur grob auf etwa Anfang August 2006 eingegrenzt werden – also kurz nach dem letzten Lebenszeichen.

Der Fall wirft bis heute viele quälende Fragen auf. Wie konnte Frauke über Wochen hinweg am Leben gehalten und gleichzeitig so kontrolliert werden, dass sie regelmäßig Kontakt zur Familie aufnehmen musste, aber nie um Hilfe bitten oder ihren Standort nennen konnte?

Wer hatte ein Interesse daran, die Familie über einen so langen Zeitraum hinzuhalten? Warum wurde die Leiche ausgerechnet an einem Ort abgelegt, der zwar abgelegen, aber dennoch relativ leicht zu finden war? Und vor allem: Warum gibt es bis heute, fast 20 Jahre später, keine heiße Spur, keinen Tatverdächtigen und keine Verurteilung?

Die Ermittlungen waren und sind enorm aufwändig. Tausende Hinweise wurden geprüft, zahlreiche Personen aus Fraukes Umfeld standen zeitweise unter Verdacht, darunter auch ihr damaliger Freund Dennis, der jedoch ein lückenloses Alibi hatte und nie ernsthaft verdächtig war. Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus, das höchstwahrscheinlich im persönlichen oder zumindest regionalen Umfeld seinen Ursprung hatte.

Eine zufällige Entführung durch einen fremden Sexualstraftäter gilt als eher unwahrscheinlich, vor allem wegen der langen Gefangenschaft und der kontrollierten Kontaktaufnahme. Dennoch konnte nie ein klares Motiv gefunden werden – weder Eifersucht, Rache noch finanzielle Gründe passen eindeutig.

Der Fall Frauke Liebs ist nicht nur wegen seiner Ungelöstheit so bekannt geworden, sondern auch wegen des unvorstellbaren Leids, das die Familie durch die trügerischen „Lebenszeichen“ erlitten hat. Die Hoffnung, sie könne noch leben, wurde über Wochen künstlich am Leben erhalten – nur um dann brutal zerstört zu werden. Viele Menschen in Deutschland verbinden mit diesem Fall das Gefühl von Ohnmacht und das beklemmende Wissen, dass manchmal selbst intensivste Polizeiarbeit und öffentliche Aufmerksamkeit nicht ausreichen, um ein Verbrechen aufzuklären. Trotz mehrerer „Aktenzeichen XY“-Sendungen, Belohnungen und immer wieder neu aufgerollter Ermittlungen bleibt Frauke Liebs bis heute eines der großen ungelösten Rätsel der deutschen Kriminalgeschichte.

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