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Umwelt

Afrikas Sodom und Gomorrah

Titelbild Beispielbild: Auf der Müllhalde von Agbogbloshie (2011) Marlenenapoli

Der illegale Export von Elektroschrott aus Deutschland nach Westafrika, insbesondere nach Ghana und Nigeria, ist ein komplexes und gut organisiertes Netzwerk, das durch wirtschaftliche Anreize, schwache Kontrollmechanismen und internationale Ungleichheiten angetrieben wird. Trotz des Basler Übereinkommens, das seit 1989 den Export gefährlicher Abfälle in Länder mit unzureichender Entsorgungsinfrastruktur verbietet, gelangen jährlich Hunderttausende Tonnen Elektroschrott aus Deutschland nach Westafrika. Schätzungen zufolge exportiert die EU etwa 1,5 Millionen Tonnen Elektroaltgeräte pro Jahr, wobei Deutschland als einer der größten Exporteure gilt. In Ghana allein landen jährlich etwa 40.000 bis 50.000 Tonnen Elektroschrott, oft als „Second-Hand-Waren“ getarnt, um die strengen Vorschriften des Übereinkommens zu umgehen. Dieses Netzwerk umfasst ein Geflecht aus deutschen Schrottsammlern, Zwischenhändlern, Speditionsfirmen, korrupten Zollbehörden und lokalen Akteuren in Westafrika, die gemeinsam sicherstellen, dass defekte Geräte wie Computer, Fernseher, Kühlschränke oder Smartphones den Weg nach Deponien wie Agbogbloshie in Accra oder Alaba in Lagos
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Der Prozess beginnt in Deutschland, wo Elektroschrott über verschiedene Kanäle gesammelt wird. Wertstoffhöfe, private Recyclingunternehmen und informelle Sammler, oft als „Abfalltouristen“ bezeichnet, kaufen Altgeräte von Haushalten, Unternehmen oder sogar direkt vor Recyclinghöfen ab. Diese Geräte, die häufig nicht mehr funktionsfähig sind, werden als Gebrauchtwaren deklariert, um die Exportkontrollen zu umgehen. Laut einer Studie des Basel Action Network sind bis zu 30 % der nach Westafrika exportierten Elektrogeräte Schrott, wobei Deutschland neben Großbritannien und den Niederlanden eine zentrale Rolle spielt. Die Geräte werden in Containern verpackt, oft versteckt zwischen Gebrauchtwagen oder anderen Gütern, und über große Häfen wie Hamburg, Bremerhaven oder Rotterdam verschifft.
Speditionsunternehmen wie Transway oder ACS Transporte, die auf Exporte nach Westafrika spezialisiert sind, organisieren den Transport nach Häfen wie Tema in Ghana oder Lagos in Nigeria. Die Zollkontrollen in Europa sind unzureichend, da nur Stichproben durchgeführt werden und Dokumente wie „Hausrat“ oder „persönliche Habe“ oft nicht hinterfragt werden. Korruption an westafrikanischen Zollstellen erleichtert zudem die Einfuhr, da Beamte gegen Schmiergelder Container passieren lassen.


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In Westafrika angekommen, wird der Elektroschrott größtenteils im informellen Sektor verarbeitet. In Ghana war Agbogbloshie bis zu seiner Schließung 2021 das Epizentrum dieser Aktivitäten, wo bis zu 10.000 Arbeiter, darunter viele Kinder, unter gesundheitsschädlichen Bedingungen tätig waren. Dort wurden Geräte manuell zerlegt, um wertvolle Materialien wie Kupfer, Aluminium oder Spuren von Gold zu extrahieren. Die weitverbreitete Praxis, Kabel und Kunststoffverkleidungen zu verbrennen, setzte giftige Substanzen wie Blei, Quecksilber, Dioxine und polybromierte Flammschutzmittel frei, die Boden, Wasser und Luft schwer verschmutzten. Eine Studie des International Growth Centre wies Bleikonzentrationen im Blut von Arbeitern nach, die weit über den Grenzwerten lagen, was zu schweren Gesundheitsproblemen wie neurologischen Schäden, Krebs oder Entwicklungsstörungen bei Kindern führt. Der Odaw-Fluss, der durch Accra fließt, ist durch Schwermetalle so stark kontaminiert, dass er die Trinkwasserversorgung gefährdet. Nach der Schließung von Agbogbloshie wurden die Aktivitäten auf kleinere, weniger überwachte Deponien verlagert, wodurch die Umwelt- und Gesundheitsprobleme fortbestehen.

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Das Netzwerk wird durch wirtschaftliche Anreize aufrechterhalten. In Deutschland ist das Recycling nach EU-Standards kostenintensiv, da es spezialisierte Anlagen und die sichere Entsorgung von Schadstoffen erfordert. Laut dem Öko-Institut deckt der Wert der recycelten Materialien oft nicht die Kosten, während der Export nach Westafrika, wo Arbeitskräfte billig sind und Umweltauflagen kaum durchgesetzt werden, wirtschaftlich lukrativ ist. Ein Desktop-PC bringt in Ghana im informellen Sektor etwa 1,50 Euro ein, während moderne Recyclingtechnologien in Deutschland bis zu 20 Euro an Materialwert extrahieren könnten. Kriminelle Händler nutzen diese Kostendifferenz, indem sie Geräte an Zwischenhändler verkaufen, die sie ohne Prüfung weiter nach Afrika exportieren. Das deutsche Elektro- und Elektronikgerätegesetz verpflichtet Händler wie MediaMarkt oder Amazon zur Rücknahme von Altgeräten, doch die Deutsche Umwelthilfe kritisiert, dass nur etwa ein Drittel der jährlich anfallenden zwei Millionen Tonnen Elektroschrott ordnungsgemäß erfasst wird. Der Rest verschwindet in inoffiziellen Kanälen, oft über kleine Händler oder „Wertstoffsammler“, die direkt mit Exportfirmen kooperieren.

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Internationale und deutsche Initiativen versuchen, das Problem einzudämmen, stoßen jedoch auf Widerstand. Die EU hat ihre Richtlinie über Elektro- und Elektronikaltgeräte mehrfach verschärft, um Exportkontrollen zu verbessern und Recyclingquoten zu erhöhen, doch die Umsetzung bleibt lückenhaft. Das Umweltbundesamt in Deutschland führt Stichproben in Häfen durch, kann aber die schiere Menge an Containern nicht vollständig überprüfen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt seit 2020 Projekte wie das „E-Waste Programme“ in Ghana, das informelle Arbeiter schult und Recyclingparks aufbaut. In Zusammenarbeit mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wurden 2023 über zehn Millionen Euro in ghanaische Recyclinginfrastruktur investiert, etwa in die Modernisierung von Sammelsystemen. Fraunhofer UMSICHT entwickelt thermochemische Verfahren, die aus Deutschland übernommen werden, um die Wertschöpfung zu erhöhen und Umweltbelastungen zu reduzieren. Dennoch bleibt die Wirkung begrenzt, da die informelle Wirtschaft in Westafrika für viele die einzige Einkommensquelle darstellt.

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Lokale Akteure in Ghana und Nigeria sind ebenfalls Teil des Netzwerks. Händler auf Märkten wie Alaba in Lagos kaufen Containerladungen mit Elektrogeräten und verkaufen funktionsfähige Teile weiter, während der Schrott an informelle Recycler geht. In Ghana fördern Initiativen wie die Ghana Recycling Initiative by Private Enterprises (GRIPE) die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, doch die Kapazitäten sind begrenzt. Nur eine Anlage, betrieben von Electro Recycling Ghana Limited, entsorgt Elektroschrott umweltgerecht, während der Rest in informellen Strukturen verarbeitet wird. NGOs wie Green Advocacy Ghana oder die Pure Earth Foundation fordern ein globales Verbot des Elektroschrottexports und setzen auf Aufklärung und Schulungen, etwa in sicheren Demontagetechniken. Dennoch bleibt die Nachfrage nach billigen Gebrauchtwaren in Westafrika hoch, was das Netzwerk am Leben hält.

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Die Bekämpfung des illegalen Elektroschrottexports erfordert eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland, der EU und westafrikanischen Staaten. Strengere Kontrollen in deutschen Häfen, transparentere Lieferketten und die Durchsetzung der Rücknahmepflicht könnten die Exporte reduzieren. Gleichzeitig müssen Investitionen in die Recyclinginfrastruktur in Ländern wie Ghana ausgeweitet werden, um den informellen Sektor in formelle Strukturen zu integrieren. Ohne solche Maßnahmen wird das Netzwerk weiterhin Umwelt und Gesundheit in Westafrika schädigen, während Deutschland seine Verantwortung als einer der größten Exporteure nicht vollständig wahrnimmt.

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