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Deckname Luna (Teil 1) – Der Einbruch

Skandalöse Menschenrechtsverletzungen

Wir nahmen uns nach dem Tod von Daniel Küblböck vor, über das Leid der Transsexuellen in Deutschland zu schreiben. Bei aller Aufklärung und Toleranz ist die Situation der Transsexuellen in Deutschland bedenklich.

Es war auch eine Zeitreise.

Unser Fazit: Diese Menschen werden zum Teil so schlecht behandelt, dass man sich davor graut. Demokratie definiert sich anders und nicht über Sündenböcke.

Hier ist eine dieser Geschichten, die Anfang und Mitte der 1990er Jahre begann, deren Folgen jedoch für einige der Beteiligten über Jahrzehnte anhielt. Es bezeugt deutlich die Menschenverachtung, die Transsexuellen in Deutschland entgegengebracht wird und wurde. Eigentlich beginnen die Ereignisse in einem damals heruntergekommenen Bürohaus in Hamburg der Hans Hillgruber KG, einen „Steinwurf“ von der Moschee entfernt, wo der spätere Attentäter Atta betete, an den zu dieser Zeit noch niemand dachte. Es waren noch zwei Jahre, ehe er und seine Schergen nach Hamburg kamen.

Aber in der BAGS, im Referat der Senatorin Helgrit Fischer-Menzel, spielte sich zu diesem Zeitpunkt durch Vetternwirtschaft ein unsägliches Menschenrechtsverbrechen ab. Transsexuelle waren wieder einmal Mittel zum Zweck geworden, diesmal, um Geld zu ergaunern, nicht, weil die Politik mit einem Mal tolerant geworden war. Wie diese es damals vorgab.

Fast ein Vierteljahrhundert nach den Ereignissen im Jahr 1995, entblättert sich ein Menschenrechtsskandal ungeheueren Ausmaßes in der Hansestadt. Die Spuren sind weitgehend getilgt, selbst das ehemalige Bürogebäude in der Spaldingstraße wurde 2015 / 16 abgerissen.

Bekannt waren die Verbindungen bei einigen Mitarbeitern der BfTS zu einer sektenähnlichen Struktur, die im NLP Bereich in diesen Tagen tätig war. Schon Tage vor den Ereignissen sichteten Mitglieder dieser Organisation die Akten von Betroffenen, deren seelischen Nöten und intimsten Problemen mit der Transsexualität.

Die weiteren Verbindungen führten in die ehemalige Monika Bar auf der Großen Freiheit und in die Taverne in der Schmuckstraße, hier wurden „Gäng Bäng“ Parties mit Transsexuellen aus der Beratungsstelle vermittelt. Ein Wunderheiler, Schwarzkassen, Zuhälter und falsche Gutachten waren nur Beiwerk dessen, was folgen sollte.

Taverne, Transsexuellen Bar, Hamburg St. Pauli, kasaan media, 2015

Taverne, Transsexuellen Bar, Hamburg St. Pauli, kasaan media, 2015

Der Hansaplatz in St. Georg, vielleicht einen Kilometer entfernt, war damals der Treffpunkt der Junkies und Prostituierten. Das alte Postamt „Hühnerposten“ am Bahnhof der Umschlagplatz für Drogen aller Art. In den Blumenrabatten fanden sich die Drogenbunker.

 

Am ZOB war der einzige McDonald der Stadt, 1995, der nur eine halbe Stunde am Tag schloss, um notwendige Reinigungsarbeiten vorzunehmen.

Die Sprengung des IDUNA Hochhauses in St. Pauli, zwei Tage darauf, warf seine Schatten voraus.
Damals in Hamburg. Die Hansestadt war nicht etwa tolerant, sondern schrecklich korrupt in diesen Tagen.Die Rekonstruktion der folgenden Ereignisse gehen aus Zeugenaussagen und den Unterlagen der Polizei, der Staatsanwaltschaft (Aktenzeichen 4 UJS 4590/95), der damaligen BAGS und den Unterlagen zu der Drucksache des Hamburger Senats (Drucksache 16/1171) hervor.

 

Freie und Hansestadt Hamburg, 17. Februar 1995

Ein kleiner weißer Lieferwagen fährt vor das, im Dunklen der kalten Winternacht liegende Bürogebäude in der Spaldingstraße, wenige hundert Meter hinter dem Hauptbahnhof der Hansestadt.

Die drei Männer in dem Fahrzeug warten einige Minuten, rauchen eine Zigarette. Sie warten auf jemanden. Es ist kurz nach zwei Uhr morgens. In einer polnischen Spedition im ersten Stock des Objektes brennt ein Licht. Mehrere Junkies der nahen Szene aus St. Georg erwarten ihren Dealer, den „Cocaman“ an einem angrenzenden arabischen Autohandel unter der Brücke der Nord-Südfahrt. Einem morgendlichen Zeitungsausfahrer fällt das ungewöhnliche Trio auf, als ein Kleinwagen kurz darauf nach einem Parkplatz an der Magistrale sucht.

Der Stadtteil ist komplett heruntergekommen. Ein paar Häuser weiter ist ein Bäcker, ein Kiosk, in dem belegte Brote für den Morgen geschmiert werden. Leberpastete und Esromkäse. Mittags ein einfaches Essen für 5,90 DM.

Kurz darauf geht das Quartett auf das Gebäude 1b zu – die Tür wird aufgeschlossen – im Treppenhaus ist es still.
Im ersten Stock liegt das zuvor penibel ausgekundschaftete Büro und darin liegende beabsichtigte Beute der BfTS. Ein von der damaligen Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, mit hohen Zuwendungen geförderter Trägerverein, die TSG (Transsexuellengeschaft e.V.) ist der Träger der Beratungsstelle für Menschen mit Geschlechts-Identitätsstörungen.

Die nächtlichen Besucher nehmen den Lift in den zweiten Stock, orientieren sich in dem folgenden Gang nach rechts. Dem anwesenden Mitarbeiter der polnischen Spedition fallen die nachhallenden Schritte im langen Flur auf. Er kümmert sich nicht darum, er ist illegal in Deutschland und muss bis zum Morgen noch etliche Kartons geschmuggelter Zigaretten auspacken. Diese Ware will am Tag auf die Unterhändler verteilt werden. Kurz zuvor war auch bei ihnen eingebrochen worden.

Jeder, der einmal das Haus betreten hatte, weiss, dass in den leerstehenden Büros der oberen Stockwerke Drogenhändler agieren. Tag und Nacht. Ein paar hundert Meter weiter steht das Horrorhaus, das ehemalige, jetzt leere Verwaltungsgebäude der DAK, mit der größten offenen Drogenszene Europas.

Gegen 2.20 Uhr schließt einer der Angekommenen die Bürotür zur BfTS auf, der Täter hat einen Schlüssel. Woher, konnte die Polizei in ihren Ermittlungen in den damaligen Tagen nicht klären. Es geht um die Aktenschränke, nicht um die gut gefüllte Kaffeekasse, die vor den Eindringlingen auf dem weißen Tresen des Eingangsbereiches steht. Eine vom Vereinsvorstand eingerichtete Schwarzkasse von mehreren zehntausend DM ist in Handweite der Eindringlinge.

Einer der Unbekannten sieht auf seinen Zettel, den er zuvor gefertigt hatte. Dabei wird er von dem Polen in der Spedition beobachtet. Ab jetzt geht alles sehr schnell. Die Akten von mehreren hundert Transsexuellen, hochsensible Daten, werden aus den Hängeregistraturen der Aktenschränke entnommen, alle Namen einer mitgeführten Liste. Mit geübter Hand werden diese in mehrere Kartons verstaut, die einer der Täter zu dem Fahrzeug trägt. Ein Faxgerät, zwei Computer, ein Drucker und einige Elektrokleingeräte, Taschenrechner, etc. werden sorgfältig mit abgepackt.

Um 2.25 Uhr wollen sich zwei frierende Drogenabhängige in dem sonst verschlossenen Bürogebäude aufwärmen. Der „Cocaman“ war noch nicht eingetroffen. Sie leiden unter Crack-Entzug, die Modedroge der Tage. Die beiden, eine junge Frau und ein älterer Mann gehen durch die offene Tür in den dunklen Vorraum und schleichen sich an den Briefkästen vorbei, als die Fahrstuhltür plötzlich aufgeht. Beide erschrecken sich, als sie sehen, wie ein Mann etliche Umzugskisten zum Auto trägt. Mehrere Obdachlose, die in den Büros im vierten Stock schlafen, bemerken in dieser Nacht nichts. Hier gibt es fließend Wasser, eine Toilette und eine Dusche.

Die beiden Drogenabhängigen bleiben im Hintergrund, verstecken sich im angrenzenden Treppenabgang zum hauseigenen Parkplatz hinter dem Gebäude. Rauchen eine Zigarette, einen Joint, mit den letzten aus den Hosentaschen zusammengekratzten Resten von Haschisch-Krümmeln. Oben wird es laut, es wird geschlagen und geklopft, dann wird es wieder still. Der Mitarbeiter der polnischen Spedition löscht gegen 2.35 Uhr das Licht. Mehrfach sieht er aus dem Türspion, beobachtet dabei einen groß gewachsenen, muskulösen blonden Mann, der mit einem ölig verschmierten Kantholz, einem Kuhfuß zu dem Büro am Ende des Flurs strebt. Holz splittert, Stimmen unterhalten sich leise. Er spricht kein Deutsch, versteht nicht, was die Leute reden. Dabei ist eine Frau, etwas korpulent in einer schwarzen Krinkelstoffhose. Diese war ihm in den Tagen zuvor schon mehrfach aufgefallen. Sie hat ein rundes Gesicht, dauergewelltes dunkelblondes Haar. Sie trägt Brille. Gegen 2.45 Uhr versucht er seinen Chef anzurufen, ein Tisch fällt in diesem Moment auf den Boden. In dem Büro nebenan wird gehämmert. Der Geschäftsführer der Spedition schläft, geht nicht an das Telefon ein paar Kilometer weiter in Altona.

Gegen 3.00 Uhr verlassen die vier Personen geordnet und ruhig das Gebäude. Die beiden Junkies warten, bis die Fahrzeuge abfahren, flüchten dann in Richtung des Postamtes Hühnerposten. Der Pole packt weiter die Zigaretten in kleinere Kisten um und wartet auf den am Abend zuvor avisierten Kurier, der 4.40 Uhr, auf den Parkplatz hinter dem Gebäude rollt. Die beiden Männer verstauen etliche Boxen mit Marlboroschmuggelware in dem Auto einer türkischen Bäckerei. Als die beiden fertig sind, erzählt er seinem Bekannten von dem nächtlichen Spuk. Dem ist das egal, er hat es eilig. Der Pole verlässt hiernach gegen 5.05 Uhr das Bürogebäude, schließt hinter sich die doppelte Eingangstür ab. Auf die Spuren des Einbruchs war er nicht aufmerksam geworden, oder wollte es nicht.

Etwas mehr als drei Stunden später betritt die Sekretärin der BfTS, Ümit S., das Gebäude. Ihren roten Golf hat sie hinter dem Haus geparkt, da wo zuvor der polnische Zigarettenkurier stand. S. fällt sofort die angelehnte Tür auf, die Unordnung, umgestürzte Möbel und die aufgebrochenen Schränke. Verstreute Papiere, aber ihr fällt auch auf, dass die Täter die gut gefüllten Kassen stehen gelassen haben. In der Kaffeekasse zählt sie 23.51 DM, das steht auch später im Polizeiprotokoll. Das KK 41 in Billstedt wird informiert. Ein zunächst wenig ambitionierter Kommissar geht lustlos, von der Komplexität des Falles hoffnungslos überfordert, an die Routinearbeit. Kurz nach ihm werden noch Spurensicherer tätig, die sich, zur Befriedigung ihrer eigenen Neugier, eher mit der eintreffenden Klientel der Beratungsstelle, beschäftigen, als mit dem eigentlichen gesetzlichen Auftrag, nach Fingerabdrücken, Fußspuren etc. zu suchen. Zeugen für den nächtlichen Einbruch werden nicht ausgemacht, dafür aber die anwesenden Transsexuellen der Beratungsstelle bepfiffen und bestaunt.

Was alle nicht ahnen, sie werden mehr oder minder zu Zeugen des größten Hamburger Datenschutzskandals und der war gewollt.

2.Teil: Die Akten sind weg 

 

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